„Im Licht des Terrors sehen“

Volker Kauder (CDU) fordert von Otto Schily eine neue Zuwanderungsdiskussion

taz: Es gab aus Karlsruhe keine Prügel für das Theater der Union im Bundesrat. Sind Sie froh, davongekommen zu sein?

Volker Kauder: Das Gericht musste nicht konkretes Verhalten, sondern eine Rechtsfrage beurteilen. Was darum herum geschehen ist, war nicht Gegenstand des Gerichtsverfahrens. Und über das Urteil bin ich froh.

Der Bundespräsident war Mitte des Jahres weniger gnädig. Er warf Union wie SPD vor, die Verfassung in gewagter Weise ausgereizt zu haben. Ist die Mahnung an Ihnen abgeperlt?

Das hat in der Union keine Rolle mehr gespielt. Wir haben uns ausschließlich mit der Frage befasst, was passiert, je nachdem wie die Entscheidung des Gerichts ausfällt. Und darüber sollten wir jetzt reden.

Auch Ihr Gesprächspartner Otto Schily wartete gestern mit Schelte auf. Die Union habe im Bundesrat das Gesetz vorsätzlich zum Gerichtsfall gemacht.

Wir haben doch gerade erst beim Hartz-Konzept gesehen: Es geht darum, gemeinsam für die Menschen etwas zu erreichen, statt Schlachten der Vergangenheit zu schlagen. Herr Schily muss nun akzeptieren, dass sein Gesetz nicht in Kraft treten kann. Wir sollten jetzt Gespräche über ein neues Gesetz beginnen, da sollte er das Klima nicht vergiften.

Rot-Grün verdächtigt Sie, auf Verzögerung zu setzen.

Wie bei der Auflockerung am Arbeitsmarkt werden wir unsere Bedingungen stellen. Deutschland braucht schnell eine Regelung, aber die muss vor allem die veränderten Bedingungen seit den Terroranschlägen vom 11. September berücksichtigen: bei den Auswahlkriterien für Zuwanderer, bei der Frage, wer in Deutschland leben darf, bei den Ausweisungen. Wir müssen die Diskussion im Licht der Terrorerfahrungen neu führen.

Sie zielen besonders darauf ab, die grünen Anteile aus dem Gesetzentwurf zu radieren?

Wir waren stets gegen die Erweiterung der Asylgründe. Da haben vor allem die Grünen einiges durchgesetzt. Das werden wir so nicht akzeptieren.

Stehen Sie nicht einer breiten Koalition pro Zuwanderung gegenüber – von der Wirtschaft bis zu den Kirchen?

Ich kann im Moment gar nicht erkennen, dass wir bei vier Millionen Arbeitslosen nennenswert Zuwanderung auf den Arbeitsmarkt brauchen. Absolut abwegig! Beim Thema Leiharbeit etwa hat Rot-Grün sich zuletzt überhaupt nicht bewegt, obwohl hier viel Spielraum für neue Arbeitsplätze gewesen wäre. Da kann man nicht im Ernst sagen: aber jetzt holen wir Arbeitskräfte aus aller Herren Länder nach Deutschland.

Hartz, Zinssteuer, Zuwanderung – bahnt sich da eine große Koalition der Sachthemen an?

Überhaupt nicht. Wir nehmen unsere Aufgabe ernst, die Regierung zu jagen – in die richtige Richtung. Wir sind keine Blockierer, aber Unsinn machen wir nicht mit.INTERVIEW: PATRIK SCHWARZ