Hamburger Hürdenlauf

Das neue Gesetz für eine bedarfsgerechte Grundsicherung im Alter soll eigentlich den für viele peinlichen Gang zum Sozialamt ersparen. In Hamburg müssen Leistungsberechtigte trotzdem hin

von ELKE SPANNER

Die christlichen Demokraten finden es ungerecht. Manche Leute arbeiten, andere nicht, und dass die im Alter ebenso Geld bekommen wie jemand, der in die Rentenversicherung eingezahlt hat, ist für den sozialpolitische Sprecher der CDU-Bürgerschaftsfraktion, Frank Schira, „unsozial“. Da Hamburgs Regierung sich aber damit abfinden muss, dass sozial schwache Menschen über 65 Jahre ab dem Jahreswechsel eine „Grundsicherung“ bekommen können, folgt der ideologischen Verweigerung zumindest der Versuch, SeniorInnen von der Inanspruchnahme des Geldes abzuhalten: Das sollen sie laut Gesetz gerade bekommen, um ihnen den oft peinlichen Gang zum Sozialamt zu ersparen. Und wo siedelt der Senat die Bearbeitung der Grundsicherung an? Beim Sozialamt.

Das neue „Gesetz über eine bedarfsorientierte Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung“ hat die rot-grüne Bundesregierung erlassen, um die versteckte Altersarmut zu bekämpfen. Viele SeniorInnen nämlich beantragen keine Sozialhilfe, abwohl sie darauf einen Anspruch hätten. Aus Scham oder weil sie nicht wollen, dass ihre Familienangehörigen in Regress genommen werden. Deshalb wird die Grundsicherung unabhängig vom Einkommen der Kinder geleistet, solange dieses nicht 100.000 Euro im Jahr übersteigt. Davon profitieren sollen vor allem Frauen, die wegen ihrer Kinder nicht erwerbstätig waren und folglich keine Rente bekommen.

Die Vorsitzende des Landesseniorenbeirats, Thea Woost, ist allerdings skeptisch, ob diese nun tatsächlich die Grundsicherung beantragen, wenn sie auch dafür zum Sozialamt gehen müssen. „Die Lösung ist nicht glücklich“, sagt Woost. Ihre Organisation hat das bei der Sozialbehörde moniert und zur Antwort bekommen, dass man die Beratung der RentnerInnen eventuell auf gesonderte Flure verlegen könne. Doch „ich sehe da schwarz“, sagt Woost. „Ich weiß nicht, ob es im Bezirksamt Altona beispielsweise noch einen verfügbaren Flur gibt.“ Der Beirat hatte angeregt, die Bearbeitung der Grundsicherung bei den bezirklichen Rentenberatungsstellen anzusiedeln. Die aber hat der Senat stattdessen auf ganze zwei Anlaufstellen in der Stadt reduziert.

Die Hamburger Sozialbehörde schätzt, dass etwa 30 Prozent mehr RentnerInnen Grundsicherung beantragen, als zur Zeit Sozialhilfe bekommen – eine, gemessen am Bundesdurchschnitt, eher bescheidene Schätzung: Andere Städte haben sich auf Steigerungen um 50 oder sogar 100 Prozent eingestellt. Zudem müssen die Sozialämter nicht nur die Neuanträge bearbeiten, sondern auch alle 26.000 Altfälle daraufhin überprüfen, ob neue Ansprüche auf die Grundsicherung bestehen. Dennoch wird das Personal nicht aufgestockt: Laut Sozialbehördensprecherin Anika Wichert rechne man zwar in der Tat mit erheblichem Mehraufwand, doch sei „die tatsächliche Belastung noch nicht absehbar“. Weil die Grundsicherung nicht wie die Sozialhilfe monatlich, sondern jährlich beantragt wird, sei langfristig womöglich sogar mit einer Entlastung der SachbearbeiterInnen zu rechnen.

Zum Mehraufwand kommen zusätzliche Kosten für die Stadt. Der Bund überweist nur einen Teilbetrag. Sozialsenatorin Birgit Schnieber-Jastram (CDU) rechnet einer internen Drucksache zufolge mit Mehrausgaben zwischen 6,2 und 9 Millionen Euro jährlich und zusätzlich mit bis zu 1300 Anträgen von Menschen, die wegen Erwerbsminderung Anspruch auf die Grundsicherung haben. Die wird aus dem Sozialhilfetopf bezahlt – und für den hat sich der rechte Senat vorgenommen, ihn im kommenden Jahr um weitere neun Millionen Euro zu reduzieren.