A living silence

Der Sendesaal wird 50. Doch die Zukunft des „akustischen Kleinods“, einstmals Garant für die Unabhängigkeit von Radio Bremen, ist gefährdet

Wer ist verantwortlich: RB oder ein „künftiger Eigentümer“?

Kein Martinshorn, keine Straßenbahn, kein Hubschrauberlärm – der Sendesaal von Radio Bremen bietet perfekte, inspirierende Stille. So schwärmt Andreas Heintzeler, als Tonmeister ein Fachmann für akustische Qualitäten. In Bremen und „in weitem Umkreis“ sei nichts Vergleichbares zu finden.

Seit 50 Jahren bewährt sich die „Haus-in-Haus“-Konstruktion des Saales, der an Stahlfedern in die äußere Hülle hineingehängt ist. Eine „technische Meisterleistung“, wie auch Landesdenkmalpfleger Georg Skalecki betont, damals bundesweit einzigartig und Vorbild für die Sendesäle in Baden-Baden und Saarbrücken.

Nicht nur die Experten für Architektur und Akustik sind vom Saal begeistert, auch MusikerInnen aus aller Welt loben ihn in höchsten Tönen. „This room has a living silence, not a dead silence“ formuliert etwa der australische Saxophonist Tim O’Dwyer. Nikolaus Harnoncourt nennt ihn „einen der Säle, den man wirklich gern hat“, und zahlreiche Komponisten, unter ihnen Mauricio Kagel, haben eigens für seinen Geburtstag „musikalische Grußkarten“ geschrieben.

Eine Besonderheit des Gemeinschaftswerkes von Hans Storm (Architekt) und Walter Kuhl (Akustiker): Fast allen Besetzungen – abgesehen von großen Symphonieorchestern – bietetet er eine ideale Balance von Absorption und Resonanz.

Als der Saal am 23. Dezember 1952 in Betrieb genommen wurde, galt er zudem als Garant für den Erhalt der Selbstständigkeit von Radio Bremen – schon damals gab es Bestrebungen, den kleinen Sender in den britisch-niedersächsische n NDR-Vorläufer zu integrieren. Nun aber war „aus sparsamsten Mitteln Großes entstanden“, wie sich Nachkriegs-Bürgermeister Wilhelm Kaisen ausdrückte.

Heute ist der Sendesaal Teil des Produktionskomplexes im Nordflügel des Hörfunks. In den wurden in den vergangenen 12 Jahren immerhin noch 8,5 Millionen Euro für Umbau und technische Modernisierungen gesteckt. Trotzdem ist es im Sendesaal stiller geworden – die RB-Eigenproduktionen haben sich im Zuge der Finanzkrise drastisch reduziert. Noch vor zwei Jahren wurden hier – und über Ü-Wagen – an 390 Tagen Musik- und Hörspielsendungen produziert, aktuell liegt die Zielzahl bei 100 Tagen.

„Der öffentlich-rechtliche Rundfunk bekommt Gebühren, weil er auch nachhaltige Produktionen leistet“, betont Peter Schulze, Musikchef des früheren Radio Bremen 2. Also nicht nur Tagesaktuelles, sondern auch langfristig Archivierenswertes. Ein Beispiel unter vielen: die legendäre Keith Jarret-Platte „Bremen – Lausanne“, 1974 im Sendesaal aufgenommen, dann 700.000 mal verkauft und vielfach ausgezeichnet.

Doch vor allem seit der Konkretisierung der Umzugspläne von Radio Bremen stellt sich sogar die Existenzfrage. Intendant Heinz Glässgen hatte schon bei früheren Gelegenheiten klar gestellt: „Radio Bremen ist zur Not ohne den Sendesaal denkbar.“ „Natürlich“ wolle man den Sendesaal erhalten, aber „primär“ gehe es darum, die Zukunft von Radio Bremen zu sichern. Wegen des dazu notwendigen Umzuges richte sich die Frage nach der Zukunft des Sendesaals „in erster Linie an einen zukünftigen Eigentümer“ der jetzigen Hörfunkgebäude.

Dem widerspricht Schulze vehement. Der Erhalt des Sendesaals sei keinesfalls eine nachgeordnete Aufgabe. „Der Sendesaal ist untrennbar mit den vitalen Aufgaben von Radio Bremen verbunden.“ Henning Bleyl

Heute (Samstag) zwischen 20.05 und 23 Uhr sendet das Nordwestradio „Geschichte und Geschichten rund um den Sendesaal“, am Montag (19 - 22 Uhr) sind Aufnahmen der „Globalen Dorfmusik“ und mit dem Komponisten Hans Otte zu hören. Das fast sechsstündige Geburtstagskonzert findet erst am 26.1. statt. Karten (sowie eine lesenswerte Sendesaal-Broschüre) sind unter ☎ (0421) 246 14 77 beim „Verein der Freunde des Sendesaals“ zu bestellen.