Vom Beißreflex der Berliner Christdemokraten

Die CDU-Landesgruppe im Bundestag setzt ihren Vorsitzenden Günter Nooke ab. Neue Episode eines Ränkespiels

Malefiz – ein fieses Spiel. Mal sucht man Verbündete, sobald sie dem eigenen Fortkommen aber im Weg stehen, lässt man sie fallen. Günter Nooke, bis gestern Vorsitzender der CDU-Landesgruppe im Bundestag und im Auf und Ab von Gunst und Missgunst erfahren, hat es dieses Mal erwischt. Der einzige Berliner CDU-Abgeordnete mit ostdeutscher Biografie wurde als Chef der Berliner Landesgruppe abgesetzt. Neuer Vorsitzender ist der Reinickendorfer Roland Gewalt.

Vor wenigen Monaten zog Nooke noch als Spitzenkandidat, als Zugpferd, als Aushängeschild der Berliner CDU in den Wahlkampf und nun straft man ihn ab. Nooke versucht sich in Schadensbegrenzung. Wer von Abstrafen rede, müsse den Zuchtmeister kennen. Auch auf CDU-Landesebene wird abgewiegelt. Die Geschichte beträfe nur die sechs Leute der Bundesfraktion, meint der Pressesprecher der Berliner CDU. Nicht wichtig das Ganze, ein Sturm im Wasserglas.

Dennoch ist zu vermuten, dass es sich bei dieser Nacht-und-Nebel-Aktion um eine neue Episode im Ränkespiel der Berliner Union handelt. Rädelsführerin des Coups: Verena Butalikakis, politisches Ziehkind von Eberhard Diepgen. Vor zwei Monaten war sie bei der Wahl des Landesgruppenchefs gegen Nooke unterlegen. Am Ende der letzten routinemäßigen Sitzung soll sie unvermittelt vorgeschlagen haben, dass Nooke abgewählt werde. Da die CDU-Bundestagsfraktion keine Geschäftsordnung hat, war das möglich. Nooke protestierte eigenen Angaben zufolge gegen Butalikakis’ Vorgehen, die anderen vier Abgeordneten stimmten dem Antrag jedoch zu. In ihrer Erklärung verwies Butalikakis auf eine bis dahin nicht bekannte Unvereinbarkeit zwischen Nookes Position als CDU-Landesgruppenchef und seinem Engagement im „Gesprächskreis Hauptstadt-Union“, einer Gruppierung in der CDU, die dem alten Westberliner Christdemokratenklüngel schwer zu schaffen macht.

Der Gesprächskreis Hauptstadt-Union, der vor allem von Neu-Berliner CDU-Mitgliedern gegründet wurde, die durch den Regierungsumzug in die Stadt kamen, nennt sich selbst „die Hugenotten“. Wie die Einwanderer im 17. Jahrhundert wollen sie frischen Wind in die Stadt bringen. So halten die Mitglieder dieses Kreises, anders als die Abgeordnetenhausfraktion, betriebsbedingte Kündigungen im öffentlichen Dienst für „unumgänglich“. Auch mit ihrer Forderung, die Wohnungsbauförderung zurückzufahren, legen sie sich mit der Landes-CDU an. Sie bringen Analysen in Umlauf, wie die von der „fehlenden Management-Expertise der Verwaltung“. Im Grunde sind das Nadelstiche gegen die Pfründen, die sich das CDU-Klientel in der Diepgen-Ära sichern konnte, nicht allerdings gegen die generelle pro-neoliberale Rhetorik der Partei. Denn die Prämisse „weniger Staat, mehr Privatisierung“ durchzieht all ihre Positionen.

Georg Eickhoff ist einer der „Hugenotten“. Er sieht auch in Butalikakis’ Nooke-Sturz eine Aufwertung des Gesprächskreises Hauptstadt-Union und damit ein butalikakisches Eigentor. Selbst Nooke gibt sich trotzig: „Ich werde mit diesem Kreis um so entschlossener und geschlossener weitermachen.“ Auf den weiteren Spielverlauf darf man gespannt sein. WALTRAUD SCHWAB