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: JOCHEN SOMMER über die Informationsgesellschaft in der U-Bahn

Kleine Wasserdampfplauderei

Unter der Spree hat die Zukunft das Regiment übernommen. Dort hängen in jedem Wagen Bildschirme, auf denen animierte Schlagzeilen darüber informiert, was an der Spree gerade so los ist. Was uns erwartet, wenn wir die sicheren Katakomben dort unten verlassen. Zu welchem Tanztheater oder Konzert wir abends unsere Schritte lenken sollen. Und alle, alle Blicke ruhen dumpf auf diesen „Screens“.

Worauf auch sonst? Der Mensch, so intelligent er sich wähnt, lässt sich eben vom Flimmern einfangen wie die Fruchtfliege vom Licht. Zwar möchte man in schwachen Minuten die Bildschirme daher am liebsten mit Eisenstangen von der Decke prügeln. Leider werden die Kunststoffgehäuse schon bei der Fertigung mit ebenjenen Eisenstangen auf ihre Resistenz gegen randalierende Renitenz getestet.

Die Züge in London dagegen wirken noch wie rollende Altpapiercontainer, die förmlich überquellen von einem Blatt namens Metro, welches – wie von Geisterhand – alle halbe Stunde akualisiert in den Zügen ausliegt. Das ist ein Knistern und ein Blättern! Herrlich!

Nirgendwo scheint der Hunger auf zerstreuende Information größer zu sein als an transitorischen Orten wie der U-Bahn. Nur vor dem letzten Schritt scheint man noch zurückzuschrecken, der konsequenten Rundum-Beschallung mit einem gackernden Nachrichtenradiosender.

Von rührend rückständigem Charme ist da fast schon, was der Autor in einer anderen U-Bahn beobachten durfte – wie ein amerikanischer Tourist (!) ein Gedicht (!!) mit dem Finger (!!!) auf die beschlagene Scheibe schrieb. In München, wo die Welt noch in Ordnung ist.