Ein erwachsener Stadtteil mit grauen Haaren

Vor 30 Jahren entstand am Fennpfuhl die erste Platten-Großsiedlung der DDR. Heute sorgen schwindende Kaufkraft und Geburtenrückgang für Probleme. Jetzt hofft das ehemalige Vorzeigeviertel aufs Programm „Stadtumbau-Ost“

Bis zur Wende galt eine Wohnung in einem der Plattenbauten links und rechts der Landsberger Allee und des Weißenseer Wegs als Hauptgewinn. Als am 1. Dezember 1972 der Grundstein für das erste Doppelhochhaus gelegt wurde, begann für den Städtebau in der DDR eine neue Ära. Hier wurde ein Modellstadtteil gebaut, zentrumsnah, angebunden an den öffentlichen Nahverkehr und trotzdem grüner als andere Viertel: Im industriellen Fertigbau, etwa mit der Plattenbau-Typenserie WBS 70. Die Elfgeschosser wurden später als Modellbauten republikweit exportiert. In knapp 15.000 Wohnungen lebten bis zur Wende circa 40.000 Menschen, darunter viele, die in nahe gelegenen Betrieben wie dem Zentralviehhof oder dem VEB Elektrokohle arbeiteten.

Mehr als ein Jahrzehnt später liegt noch immer ein Hauch von Idylle über den kleinen Nebenstraßen, den vielen Fußgängerwegen und der großzügigen Parkanlage rings um den See am Fennpfuhl, der dem Areal seinen Namen gab. Die Gliederung in drei eigenständige Wohngebiete, die zu DDR-Zeiten jeweils ein eigenes Versorgungszentrum mit Kaufhalle, Dienstleistungsgebäuden und Gaststätten hatten, funktioniert allerdings immer schlechter. Dabei beträgt der Wohnungsleerstand hier lediglich 6 Prozent. Und der Rückgang der Einwohnerzahlen auf derzeit geschätzte 32.000 Menschen ist vergleichsweise gering. Auch die Mieten in den inzwischen fast komplett sanierten Häusern liegen mit 3,40 bis 5,10 Euro pro Quadratmeter im bezahlbaren Rahmen.

Doch die Bevölkerungsstruktur verändert sich. Der im Osten Deutschlands anhaltende Geburtenrückgang sorgt hier für eine steigende Alterskurve, leer stehende Kitas und Schulen. Für Familien mit Kindern verliert das Viertel damit an Attraktivität. Fast unsichtbar sind auch wachsende Armut und hohe Arbeitslosigkeit. Doch wer in der bei „Kaufhof“ am Anton-Saefkow-Platz oder in einer der drei neu sechsgebauten Einkaufspassagen die Kunden beobachtet, merkt, dass die Suche nach Sonderangeboten notgedrungen zur Ganzjahresbeschäftigung geworden ist. Da überrascht es kaum, dass die Kaufhof-Filiale wegen anhaltender Verluste den Ende 2004 auslaufenden Mietvertrag nicht verlängern will.

Am Anton-Saefkow-Platz, zu DDR-Zeiten das Herzstück des Fennpfuhl, zeigt denn der Stadtteil im Erwachsenenalter auch seine Falten und graue Haare gleich Dutzendweise. Das seit Jahren leer stehende Restaurant „Seeterrassen“ vergammelt, rings um den Brunnen gibt es kein Restaurant mehr, von Kulturangeboten ganz zu schweigen. Ob sich das ändern lässt, wie der seit 1993 aktive Bürgerverein Fennpfuhl hofft, weiß niemand. Die Tatsache, dass der Fennpfuhl als einer von zehn Standorten für das Bundesprogramm „Stadtumbau Ost“ ausgewählt wurde, birgt Chancen und Risiken. Noch sind sich alle Beteiligten einig, dass das Geld – so es kommen sollte – in den Auf- und Ausbau notwendiger und attraktiver Wohnumfeldangebote gesteckt werden sollte. Vom Damoklesschwert Abrissbirne ist noch kaum die Rede. Im Bürgerverein Fennpfuhl setzt man derweil auf Eigeninitiative. Viele der Aktiven sind mit dem Stadtteil erwachsen und älter geworden. Wer sich engagiert, will bleiben. HKL