KDV-PRÜFUNGSAUSSCHÜSSE: AUS SPARZWANG GEGEN DIE DEMÜTIGUNG
: Die Wehrpflicht verliert eine Schikane

Der kalte Krieg gegen die Kriegsdienstverweigerer ist vorbei. Die mündliche Gewissensprüfung wird endgültig abgeschafft. Auch Soldaten, Reservisten und Einberufene müssen ihre Wehrdienstverweigerung künftig nur noch schriftlich begründen. Als „Inquisitionsverfahren“ sind die Verhandlungen vor den Prüfungsausschüssen der Bundeswehr oft bezeichnet worden. Zwar drohte nicht der Tod auf dem Scheiterhaufen, aber wie im Mittelalter musste der Obrigkeit das Innerste offen gelegt werden. Viele empfanden es als entwürdigend, wildfremden Menschen die eigene Verletzlichkeit – Gewissensnöte und potenzielle Schuldgefühle – offenbaren zu müssen.

Notgedrungen war das Verfahren auch willkürlich, weil man Gewissen nicht messen kann. Bei dem einen Ausschuss hatten expressive Darsteller bessere Chancen, beim einem anderen eher die Stillen und Introvertierten. Der eine Ausschuss war großzügiger, der andere misstrauisch. Oft gab es auch Mehrheitsentscheidungen: Zwei Mitglieder des Prüfungsausschusses erkennen die Gewissensgründe an, der Dritte verneint sie – oder umgekehrt. Letztlich wurde aber jeder, der den Weg durch die Instanzen ging, irgendwann doch als Verweigerer akzeptiert. Das Verfahren war im Ergebnis nichts als Schikane.

Dass die Prüfungsausschüsse nun vor allem aus Spargründen abgeschafft werden, mag man bedauern oder witzig finden. Gut ist dies allemal. Und selbst der Bundeswehr tut die Reform heute nicht mehr weh. Auf ihrem Weg zur reinen Berufsarmee gibt es derzeit ohnehin zu viele Wehrpflichtige. Da entlastet jeder zusätzliche Verweigerer ein Stück weit vom Vorwurf, dass die Wehrgerechtigkeit nicht mehr gegeben ist.

Völlige Gleichbehandlung von Wehr- und Zivildienstleistenden besteht allerdings auch weiterhin nicht. Auch im schriftlichen Verfahren wird das Gewissen der Verweigerer geprüft. Wer nicht töten kann und will, muss für den Staat einen schlüssigen Aufsatz schreiben und außerdem einen Monat länger dienen. Wer dagegen keine Hemmungen hat oder schweren Herzens zur Waffengewalt bereit ist, bleibt unbehelligt. Aber mit dieser kleinen Ungerechtigkeit kann man leben. CHRISTIAN RATH