Das Zweitkind

Ich bin Lasse. Mein Bruder ist Torben. Er ist vier Wochen und ich bin echt vier. Papa hat gesagt, dass es für mich schön ist, dass ich jetzt einen Bruder habe. Das hat er aber so gesagt, wie er gesagt hatte, dass der Ausflug zu Tante Trude schön wird und der war ganz langweilig gewesen. Dann hat er gesagt: „Eins musst du mir glauben. Wir haben dich weiterhin genauso lieb.“

Dann ist bei uns viel Besuch gekommen und die haben mir was mitgebracht: Ein Yano, ein Imaginext, ein He-Man. Und das alles, sagten sie, weil ich jetzt ein großer Bruder bin! Geil! Torben hat immer bloß ein weiches Geschenk bekommen. Die vielen Geschenke waren klasse, aber ich hatte erwartet, dass Mama und Papa mir die Playmo-Ritterburg schenken. Wo ich doch jetzt großer Bruder bin! Aber von denen habe ich nichts bekommen.

An Weihnachten kamen Opa und Oma Altona. Sie schenkten mit ein Tigerbycel mit Stützrädern. Super! Beim Kaffee klingelte es und der Weihnachtsmann stand vor der Tür. Er hatte einen riesigen Sack voller Geschenke nur für mich. Ich habe das Gedicht aus dem Kindergarten aufgesagt, und er hat mich gelobt für mein Großer-Bruder-Sein. Der Weihnachtsmann hat mir die große Ritterburg und überhaupt alles von dem Wunschzettel gebracht.

Am nächsten Morgen bin ich hin zu den Geschenken und habe mir alle Sachen noch einmal angesehen. Plötzlich habe ich überlegt, wo die herkommen und es ist mir aufgefallen: Von Mama und Papa war kein einziges Geschenk dabei! Nicht eines! Ich bin sofort zu Mama hingelaufen und habe sie gefragt, ob sie und Papa mir was zum letzten Weihnachten geschenkt hatten. Mama stillte gerade Torben und sagte: „Klar, erinnerst du dich nicht an das Spielgerüst im Garten und die Kugelbahn?“

Ich bin in mein Zimmer gelaufen und habe etwas geweint, weil ich nun wusste, dass sie mich in diesem Jahr nicht mehr so mögen, dass sie mir noch was schenken. Außerdem hätten sie sich doch auch nicht so über den Bruder gefreut, wenn ich ihnen gereicht hätte. S. Bunzel