Extreme Indoor Krachenlassing

DAS WEIHNACHTS-SCHLAGLOCH    von FRIEDRICH KÜPPERSBUSCH

Eine Spiritualität, dieeine bemerkenswert bizarre Todesstrafe verehrt, taugt nurfür Splittergruppen

Wie aus gewöhnlich gut uniformierten Greisen verlautet, wird uns heute der Heiland geboren. Jedenfalls hält die deutsche Bischofskonferenz an der Behauptung fest, Jesus „Ich bin ja wohl Schuld an jedem Scheiß“ von Nazareth verfolge auch weiterhin die Absicht, sich für eben jene Schuld später mal, nämlich zu Ostern, gründlich durchfoltern zu lassen und anschließend zu sterben. Dies sei gefälligst als allgemeiner Anlass zu Freude und Heißa zu werten und langfristig immer noch besser, als selbst die Schnauze hinzuhalten für den ganzen Quatsch.

Dazu Krippenluder Michelle („Deutschland sucht den Superstar“): „381 Tage ohne Sex – und dann so ’n strammer Heiland!“ Während Heinz-Olaf Henkel im christlichen Periodikum Bild eine differenzierte Position vertritt : „Erlösungswüste Deutschland! Heute Abend wollen wieder Milliarden Deutsche umtauschen, und zwar Wasser gegen Wein – aber nix! Der Stall von Bethlehem im Würgegriff der Gewerkschaftsstalinisten. Weltuntergang, schlechte Laune. Weg damit, oder ich schreib’ morgen noch so ’n Ding. Euer Olli.“

Im Vorfeld der hessischen Landtagswahl, dem Koch-Duell, sprachen sich die Spitzenkandidaten jedoch gegen eine Politisierung der Frohbotschaft aus. „Eine Unterschriftensammlung zur Zuwanderung macht schon deshalb keinen Sinn, weil das Gesocks ja gar nicht schreiben kann“, erklärte Krassdemokrat Roland Koch mit Blick auf die Heiligen Drei Könige Kaspar, Melchior und Bimbo. Wer Geschenke mitbringe oder einen sicheren Arbeitsplatz, sei ihm stets willkommen. Allerdings könne der Nazarener als staatenloser Palästinenser deutschen Christen keine Vorschriften machen – Wegpfarrsperre!

Im Sinne einer freiwilligen Vermögensabgabe begrüßten auch rührende Sozialdemokraten die Gastgeschenke, zumal „die Bundesregierung selbst ganz schön bluten müsste, wenn wir uns stattdessen auf eine Unvermögensabgabe geeinigt hätten“, was garantiert auch noch irgendjemand sagen wird, ich zitiere es hier schon mal. Elmar-Brandt-Imitator Gerhard Schröder regte an, Lizenzen aus Weihnachts-CD-Verkäufen zur Staatsfinanzierung heranzuziehen. Niedersachsens Sigmar „Pete“ Gabriel kündigte eine Neuaufnahme von „Rotbäckchen und der böse Wulf“ an, Jürgen Wurst Möllemann eine Coverversion von „Hey, Jude“.

In seiner traditionellen Weihnachtsansprache erklärt der Bundespräsident diesmal gar nichts. „Ich bin doch nicht der Erklärbär“, so Rau aber herzlich, „und den Krieg kann ich ja wohl nicht erklären, den habe ich selbst nicht verstanden.“ Die deutschen Soldaten draußen brächten den Frieden selbst dahin, wo noch gar kein Krieg sei; gerade das sei auch nicht so einfach. Er selbst sei neulich vor eine Stehlampe gelaufen, das hätte ganz schön weh getan. „Deshalb diesmal wieder Tannenbaum!“, schmunzelt das Staatsunterhaupt.

Auch Bayerns weltlicher Herrscher, der sich noch vor der Wahl sein „Oi!“ hatte operativ entfernen lassen – „Ja sakra! Wächst ja schnell wieder nach!“ –, will über die Feiertage die deutsch-amerikanischen Beziehungen verbessern oder Schafkopf spielen, was ja wohl das Gleiche sei. In einem erschütternd offenen Gespräch mit Wild und Hund räumt Stoiber ein, er sei ein rationaler Mensch und könne auch mal gut ohne den ganzen Weihnachtsquatsch. Aber gerade dann würde die Merkel vermutlich extra einen auf Christkind machen, es sei schon ein Kreuz mit der Politik.

Insgesamt also ein eher nachdenkliches Weihnachtsfest. Immer mehr Deutsche lesen Artikel, die mit der Wendung „Immer mehr Deutsche“ anfangen („… essen kein Acrylamid, … wenden sich von Rot-Grün ab …“) und fragen nach dem tieferen Sinn der Jahresendfeier. Nun ja: 14 Tage Urlaub, die Kinder können zu den Großeltern und dann. Also sagen wir mal so: Weil Sie beide die zweite Strophe von „O Tannenbaum“ nicht mehr hinbekommen, sind Sie damals gewiss nicht zusammen in der Kiste gelandet. Schon stellt sich heiter-gelassene Stimmung ein und man fantasiert entspannt über dies und das. Wie wäre es denn mal mit einer männerdiskriminierungsfreien Empfängnis, von mir aus im Tausch mit einer Heiländerin? „Highlander – es kann nur einen geben“? Ja von wegen!

Auch bei der Botschaft gibt es, wohlverstanden, Optimierungsbedarf: Die gute Nachricht ist ja wohl, dass die Welt gar nicht so katastrophal sein kann, dass man nicht noch nach vorne gucken sollte, gefälligst. Eine Spiritualität, die sich nicht unwesentlich in der Verehrung einer bemerkenswert bizarren Todesstrafe begreift, ist doch nun wirklich was für Splittergruppen. Also auch hinfort damit, der Osterhorror wird dieses Jahr eh gleichwertig von der Aussicht auf einen Irakkrieg ersetzt, und bei der Wahl zwischen beidem entscheidet man sich jederzeit gern für Karneval, stattdessen.

Deutsche Soldaten bringen den Frieden selbst da hin, wo noch kein Krieg herrscht

Somit ergeht folgender weiser Ratschluss:

1. Baum ansingen, immer gerne, vernünftiges Symbol, der grünt ohne Ende, da nehmen wir uns mal ein Beispiel dran.

2. Geschenke, auch sehr sinnvoll, übers Jahr auch schon mal Notizen machen und klug ausforschen.

3. Jesusgeburtstag: Kinder sorgfältig zu der Aussicht ermuntern, dass auch aus der düstersten Bruchbude schöne starke Menschen kommen können.

4. Kirchgang: Paar Leute treffen ist besser als tagelang alleine rumhocken.

Jesusgeburtstag: Auch aus derdüstersten Bruchbudekönnen schöne Menschen kommen

5. Sich für kitschige Idylle schämen – keinesfalls, sofort umbenennen in „extreme indoor krachenlassing“ und weitermachen.

Ich meine, so müsste man durchkommen können. Noch ein Tipp: Mir hilft vor dem Fest immer ein althergebrachtes Reinigungsritual. Allen Mumpf, den ich in den kommenden Tagen nun wirklich nicht um die Ohren haben möchte, sperre ich arglistig in einen schönen, langen Besinnungsaufsatz. Und hast-du-nicht-gesehen stehen die Themen und Täter festgenagelt auf’m Monitor, ätschbätsch in eine hochsichere Datei gespeichert, ruckzuck an eine E-Mail gehängt und – Bescheeerung! – rausgehauen.

Na ja. Vielleicht kennen Sie wen, der eine echt kritische Auseinandersetzung mit Weihnachten, Jahresrückblick, Zustand der Welt und überhaupt voll schätzt. Dann Schere raus, Schleifchen dran, weiterschenken. Dann haben Sie und ich schon mal ein schönes, ungestörtes Fest. Worum mir ja zu tun war.