Grüne wollen Lobby knacken

Keine Zwangsmitgliedschaft in den Handelskammern, Ministeuern für Minifirmen

BERLIN taz ■ Kurz nach der Veröffentlichung eines Reformpapieres durch das Bundeskanzleramt definieren nun die Grünen ihre wichtigen Projekte für das Jahr 2003. Unter anderem soll die Zwangsmitgliedschaft für Firmen in den Industrie- und Handelskammern (IHK) aufgehoben werden, schreiben die grünen Bundestagsmitglieder Christine Scheel, Thea Dückert, Grietje Bettin und Anna Lührman in einem „Autorinnenpapier“. Durch diese und andere Maßnahmen hoffen sie, Spielraum für neue Arbeitsplätze zu schaffen.

Zurzeit noch muss jeder Gewerbetreibende Mitglied in seiner örtlichen IHK sein. Die Aufhebung dieser Pflicht würde gerade kleinen Unternehmen Kosten ersparen. Mit ihrem Vorschlag plädieren die Grünen nicht nur für eine Liberalisierung, sondern legen gleichzeitig Hand an die Grundfesten des Lobbyismus. Der Deutsche Industrie und Handelskammertag (DIHK) gehört zu den einflussreichen Verbänden, die immer wieder gegen Reformprojekte zu Felde ziehen. Ohne Zwangsmitgliedschaft würden Basis und Macht des DIHK wesentlich geringer.

Die vier Grünen buchstabieren in ihrem Papier das aus, was der ehemalige grüne Parteichef Fritz Kuhn das „Reformjahr 2003“ genannt hat. Laut Scheel, Dückert & Co. gehört dazu vor allem eine durchgreifende Reform der Sozialversicherung – ein Thema, das auch in dem Papier des Bundeskanzleramtes angesprochen wird. Im Gegensatz zu diesem plädieren die Grünen aber weiterhin für den Ausbau der Sozialversicherung zu einer „Bürgerversicherung“, in die möglichst viele Beitragszahler auf der Basis verschiedener Einkommensarten einzahlen sollen.

Wirtschaftsstaatssekretär Rezzo Schlauch (Grüne), plant währenddessen für Anfang 2003 eine „Mittelstandsoffensive“, in deren Rahmen die Steuern für Kleinstunternehmen pauschaliert und gesenkt werden sollen.

HANNES KOCH