Per Strafanzeige gegen den Krieg

Generalbundesanwalt Kay Nehm prüft, ob er gegen Rot-Grün ermitteln soll. PDS klagt, dass der Kanzler sich an der Vorbereitung eines Angriffkrieges gegen den Irak beteilige

FREIBURG taz ■ Bei der Bundesanwaltschaft herrscht noch die Ruhe vor dem Sturm. Erst fünf Strafanzeigen gegen die deutsche Beteiligung im Irakkrieg sind bisher in Karlsruhe eingegangen – eine davon stammt von der PDS. Während des Kosovokrieges 1999 hatte es einige hundert Strafanzeigen gegeben.

Auf 18 Seiten listete Mitte Dezember der außenpolitische PDS-Sprecher Wolfgang Gehrcke auf, warum er glaubt, dass Bundeskanzler Gerhard Schröder „an der Vorbereitung eines Angriffskrieges“ mitwirke. Schröder habe den USA ausdrücklich Überflug-, Bewegungs- und Transportrechte „für den in Vorbereitung befindlichen Krieg“ eingeräumt. Und er habe zugesagt, dass Awacs-Einsätze im Kriegsfall auch mit deutscher Beteiligung geflogen würden.

Derzeit prüft Generalbundesanwalt Kay Nehm die Strafanzeige. Vermutlich wird sich dies noch einige Zeit hinziehen, denn ob ein Angriff auf den Irak – wie von der PDS unterstellt – tatsächlich völkerrechtswidrig wäre, ist derzeit nicht absehbar. Möglicherweise wird der Sicherheitsrat einen Angriff ja mandatieren. Die PDS hat zwar schon klargestellt, dass sie eine Resolution des Sicherheitsrates nicht akzeptiere, die eine Aggression der USA „bemäntele“. Dem wird sich Generalbundesanwalt aller Voraussicht nach wohl nicht anschließen.

Schwieriger ist für Kay Nehm die Lage, wenn die USA den Irak ohne neue UN-Resolution attackieren. Die USA halten dies völkerrechtlich für möglich, unter anderem weil die aus dem Jahr 1990 stammende Resolution 678 des Sicherheitsrates noch fortgelte – was allerdings umstritten ist. Dort wurde den USA als Helfer des besetzten Kuwaits erlaubt, „alle erforderlichen Mittel“ anzuwenden, um Frieden und Sicherheit in der Region wiederherzustellen. Selbst Außenminister Fischer hat inzwischen erklärt, es sei „offen“, ob für einen Angriff auf den Irak eine neue UN-Resolution erforderlich sei.

Der Generalbundesanwalt kann sich über die Sichtweise der Regierung nicht einfach hinwegsetzen. So heißt es etwa im renommierten Strafrechtskommentar von Herbert Tröndle, dass die Strafbarkeit auf „eindeutige Fälle“ beschränkt sei. Kay Nehm wird sich dabei sicher an das Jahr 1999 erinnern, als Deutschland mit anderen Staaten Serbien angriff, um die Verletzung der Menschenrechte im Kosovo zu stoppen. Ein Mandat des Sicherheitsrates lag nicht vor, die Bundesregierung berief sich auf das (nicht allgemein anerkannte) Recht zur „humanitären Intervention“.

Nehm lehnte damals die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen die Bundesregierung ab. Die Regierung habe nicht das friedliche Zusammenleben der Völker stören wollen, sondern „die Wiederherstellung des Friedens in der Krisenregion“ bezweckt. Ein Angriffskrieg im Sinne von Paragraf 80 des Strafgesetzbuches liege daher nicht vor, entschied Nehm einen Monat nach Beginn der Luftschläge.

Trotz heftiger Kritik musste sich die Friedensbewegung damals mit Nehms Entscheidung abfinden. Ein Klageerzwingungsverfahren vor Gericht ist nicht vorgesehen. Auch gibt es kein Verfahren, das eine gezielte Anrufung des Bundesverfassungsgerichts erlaubt, obwohl das Verbot des Angriffskrieges auch im Grundgesetz festgeschrieben ist. CHRISTIAN RATH