Die Arroganz des €

Erstmals gibt es Fälschungen der Euroscheine – ein großer Sieg für die Menschheit

„Sehen, Fühlen, Kippen“ – das sollen wir mit dem Euroschein laut Wim Duisenberg treiben

Nicht einmal ein Jahr, nur 350 Tage haben wir gebraucht, dann wussten wir uns zu helfen! Jedes Geld hat es verdient, gefälscht zu werden – denn es ist immer zu wenig davon da. Der Euro hat es dreifach verdient. Er ist eine arrogante Währung; er wurde uns, der einheimischen Wohnbevölkerung (Volk sollen wir ja nicht sagen wollen) per Zwangsumtausch verordnet, als stünden wir unter Fremdherrschaft. Mit dem Euro, hieß es, könnten wir, ob in Pritzwalk oder Stade, beherzt vergleichen, was ein Kilo Lachsfilet in Barcelona kostet. Niemand könne uns nunmehr beim Lachsfilet übervorteilen. Sonst würden wir es prompt in Barcelona kaufen, gewitzte Konsumenten, die wir sind. Außerdem festige er die Völkerfreundschaft, der €.

Man ist anfällig für Völkerfreundschaft. Bereits in der ersten Januarwoche war jedoch klar, dass der Euro der Stein der Wirtschaftsweisen war. Was das Kapital in einem Jahrhundert nicht erreicht hatte, nun war es erreicht: Die Einkommen halbierten, die Kosten verdoppelten sich, denn die Bier-, Benzin- und Brotpreise wurden nahezu 1:1 umgestellt. Das blieb uns freilich nicht verborgen. Daraufhin erklärte uns die Regierung für verrückt. Uns für verrückt zu erklären – diese Kompetenz hat sie nämlich noch nicht an Brüssel abgegeben. Einer Neurose seien wir anheim gefallen, die „gefühlte Teuerung“ habe uns erfasst, hieß es. Wir sollten uns doch am Riemen reißen und das Umrechnen einstellen, dann würde das schon wieder werden mit uns.

Der Euro ist eine Zumutung, denn er ist hässlich wie das Maschener Kreuz oder das Europa der Völker. Besonders die Scheine. Schon aus ästhetischen Erwägungen müssen sie gefälscht werden – kleine Fehler bringen Leben auf die öden Brücken. „Elegant und ohne viel Schnörkel“ sei der Euro, hatte ein Wolfgang Clement vor einem Jahr bei der „rauschenden Euro-Nacht in der Kreissparkasse Köln“ gelobhudelt, um dort seine „Haushaltspackung“ Hartgeld abzufassen. Hat er Falsifikateure damit nicht sogar ermuntert?

Vorige Woche überstürzten sich die Euronachrichten (seit er im Mai in Aachen den Karlpreis empfangen hatte, hatte man mit Ekel von ihm geschwiegen): „Teuro“ wurde Wort des Jahres. „Viele Deutsche“ würden die Währung rundweg ablehnen, raunte dpa. Wie viele, das wollte man wohl nicht freiweg sagen. Und dann, am vergangenen Sonntag, kam es in der „Tagesschau“: Erstmals seien Scheine gefälscht worden! Es klang, als habe die Menschheit einen großen Sieg errungen – der Entschlüsselung des Fruchtfliegen-Genoms vergleichbar.

Seitdem sieht man wieder in wieder fröhliche Gesichter. Allein die Vorstellung, Lidl oder dem Polizeipräsidenten für Parkvergehen eine Blüte unterschieben zu können, belebt die Geister. Ein bissel Optimismus tut Deutschland jetzt so gut! Es soll Leute geben, die größere Anschaffungen – zum Beispiel einmal Volltanken – ausschließlich mit Blüten tätigen, in der Hoffnung, die D-Mark würde am 1. Januar als Notgeld wieder eingeführt werden müssen. Vorreiter dieser hoffnungsvollen Entwicklung waren tapfere junge Raucher von Attac, die mit Hämmern vor Zigarettenautomaten gekniet hatten, um – nein, nicht Schwerter zu Pflugscharen, sondern Zwanzigcentstücke zu Ein-Euro-Münzen umzuschmieden. Die Pioniere der Geldaufwertung wurden vergangenen Mai in Paderborn mit blutigem Daumen gestellt. Sie haben nicht umsonst gelitten, denn sie zeigten uns, dass der Euro ist wie jedes andere Geld: Man kann es fälschen.

„Sehen, Fühlen, Kippen“ – das sollen wir mit dem Euro-Schein auf Anweisung von EZB-Präsident Wim Duisenberg treiben. Fakultativ können wir ihn auch gegen sensible Körperpartien reiben oder in unbesetzte Löcher schieben. Immer wird sich herausstellen, dass „die erhabene Oberfläche und einzigartige Struktur, das sicherheitsfädige Wasserzeichen, das Hologramm mit dem eingestanzten €-Symbol und der Glanzeffekt des Iriodinstreifens“ aus schnöder Penunse ein sicherheitstechnisches high-end-product gemacht haben. Es reicht zwar nicht für die Miete, ist aber raffiniert anzusehen. Dass ein gebügelter Lamettafaden, eingewebt in geföhntem „Hakle-feucht“, auch eine einzigartige Struktur ergibt und man auf dem fortgeschrittenen Balkan mit drei Schichten gefriergeschocktem Tapetenleim längst hübsche Hologramme erzielt, muss die Europäische Zentralbank selbstverständlich verunsichern. Warum eigentlich? Geld machen – das sollen wir doch. Und es in liebevoller Handarbeit zu tun – ist das nicht die Zärtlichkeit der Völker?

Als Nächstes kommt die Banknote mit Fingerabdruck. Oder mit einem Chip, der unser verdutztes Gesicht an der Aldi-Kasse fotografiert. Als Nächstes kommen Gott sei Dank Spezialisten in die europäische Familie, die dir eine echte Rollex aus einem Kleiderbügel bauen können. Je abgefeimter der Fälschungsschutz, desto eleganter die Fälschung: Neulich fand ich einen Zehner, auf dem mit Edding eine Null ergänzt war. Er hat mich bereichert, zumindest im Glauben an das Gute.

MATHIAS WEDEL