weshalb der papst einen kittel trägt von ANDRÉ PARIS
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Gerade in dem Moment, als ich den Behandlungsraum meiner Stammfrisörin betrat, bemerkte ich, dass ich in der gebotenen Eile des heimischen Aufbruchs vergessen hatte, den Reißverschluss meiner Hose zu schließen. Schamgebeugt huschte ich zum Stuhl, setzte mich und hoffte: das obligatorisch über die Patienten gelegte Tuch möge den grausigen Tatort verhüllen. Das Tuch, es kam. Ich war verhüllt. Und vorerst in Sicherheit.

„Alles wie beim letzten Mal?“ – „Gewiss – ja!“ Moment. War da ein Unterton? Was soll die schale Fragerei? Will sie damit andeuten, dass der Zustand meiner Hose schon beim letzten Mal nicht den Sitten und Gebräuchen unserer Zeit entsprach? Und das Mal davor? Spaziere ich seit Jahr und Tag mit geöffneter Hose durch die Welt? Vielleicht nicht jeden Tag. Aber jeden zweiten. Und keiner meiner falschen Freunde wagt es, mich zu läutern!

Falsche Freunde hin, offene Hose her: es musste Abhilfe geschaffen werden. Allein wie? Schlecht konnte ich unter den strengen Augen der Frisörin die Hände unters Tuch schwinden lassen, um mit rascher Geste im Schambereich zu grapschen und zu griffeln. Ergo: Die Frau musste weg!

Listig bat ich um ein Glas Wasser. Doch kaum waren meine Worte verklungen, da sauste die Praktikantin herbei. „Bleib mal hier, Monika – hier kannst du gleich noch was lernen!“ Missmutig nippte ich am Glas: Ja, sie verspotten mich bereits. Gleich holen sie die Polizei.

Meine Familie würde mich verstoßen. Das stand fest. Dass meine falschen Freunde sich abwenden würden, konnte mir nur recht sein, die Geliebte jedoch – je mehr ich versuchen würde, die Sache zu erklären, umso fester wäre sie von meinem dubiosen Wesen überzeugt: „Wenn du dir schon beim Friseur einen runterkurbelst, dann kannst du doch wohl dazu stehen …!“

Eine Schande: Jahrelang zahlt man Steuern, grüßt die Nachbarn, stellt an der Ampel den Motor ab – und mit einem Handgriff ist der Leumund verhunzt: „Kuck mal, das ist der, der sich beim Friseur einen schrubbt!! – Iiih, wirklich?!“ Grausam: Es bedarf dieser Tage nicht viel, bis sämtliche Daumen nach unten zeigen.

Andererseits, dachte ich, leben Leute wie Roland Koch oder Dieter Bohlen doch exzellent mit ruiniertem Ruf. Etliche Menschen honorieren es, wenn man sich wie die Sau geriert. Womöglich würde mir der Vorfall zu Reichtum und Ansehen verhelfen: Weiber ohne Unterlass, Bimbes, bis der Notarzt kommt. Und Macht. Die Hose könnte ich auf ewig offen lassen, man würde mich dafür sogar bejubeln.

Nur lag mir daran nicht. Die Frisörin fönte mir bereits das Haar, als ich mich eines Rates meiner Mutter erinnerte: „Hast du Kummer in der Not, mach’s wie der Papst und frage Gott!“ Bevor ich ihn fragen konnte, stürzte der Fön zu Boden. Frisörin und Praktikantin bückten sich. Der Aufruhr war enorm. Ich grapschte und griffelte. Erledigt! Das ist wohl der Grund, weshalb der Papst keine Hose, sondern einen Kittel trägt. Obwohl er gar nicht zum Frisör muss, denn er hat ja eine Mütze auf dem Kartoffelkopf.