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: ARNO FRANK über seinen kleinen Bruder James Ryan

Vom Familienfilm zum Kriegsfilm zum Antikriegsfilm und wieder zurück

„Voll boah ey, gleich von Anfang an mit wackliger Kamera rein und dann so …“ – hier folgen schnalzende Knatter- und Splittergeräusche, die schriftlich leider nicht wiedergegeben werden können. Jedenfalls war mein kleiner Bruder mit seinen damals süßen 16 Jahren „total weg ey“ von Steven Spielbergs „Der Soldat James Ryan“. Da ging’s ihm anders als dem Präsidenten des Oberverwaltungsgerichts Berlin – der dem Sender Pro 7 gestern untersagt hat, den Film am 5. Januar 2003 schon um 20.15 Uhr zu zeigen.

Weil der ungekürzte Film für Jugendliche unter 16 Jahren nicht freigegeben ist und deshalb grundsätzlich erst ab 22.00 Uhr gesendet werden darf, hat Pro 7 vorsorglich sieben Minuten rausgeschnitten aus dem Gemetzel. Was ein Verwaltungsgericht in erster Instanz so weit besänftigt hat, dass es die Ausstrahlung erlaubte. Doch die Medienanstalt Berlin-Brandenburg (MABB), zuständig für die Ausnahmegenehmigung, legte beharrlich Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht ein – das den Antrag des Senders jetzt zurückwies. „Verschiedene Beurteilungen“, heißt es in der Urteilsbegründung (Az.: OVG 8 S 362.02), „stimmten darin überein, dass er auch in gekürzter Fassung in der ersten halben Stunde durch Gewaltdarstellungen drastisch auf den Zuschauer einwirke und die dem Jugendschutz geschuldeten Bedenken gegen den Film nicht etwa auf nur einer – inzwischen entfernten – Szene bzw. Sequenz gründeten.“

Ich jedenfalls empfand Entsetzen, Ekel und Angst vor allem bei den die Handlung klammernden Szenen auf dem Soldatenfriedhof, wo die patriöse Sülze am unerträglichsten ist. Geschmackssache, zugegeben. Zumal einige Gutachter „das Ausmaß der Angsterzeugung und emotionalen Belastung“ für hinnehmbar hielten.

Doch das „Ausmaß der Angsterzeugung“ gerade in der sehr dynamischen Anfangsszene bzw. Sequenz (fliegende Kugeln, quellendes Gedärm) geht über das Maß dessen hinaus, was wir noch als Unterhaltung zu konsumieren imstande sind. Es ist also ein Übermaß an Angst und Gewalt. Krieg halt, ganz altmodisch, mit Verrecken und so. Schade eigentlich, dass sich Kriegsfilme in das drollige Präfix „Anti-“ kleiden müssen, um nicht in den Ruch der Affirmation zu geraten.

Die Unmittelbarkeit des Grauens übrigens, das sich Spielberg mit einem Oscar hat prämieren lassen, ist bei weitem nicht das Eindrücklichste an Kriegsfilm: Wie der kampfesmüde Held später im Handgemenge vom Bösendeutschen dazu überredet wird, sich erstechen zu lassen, damit das Töten doch endlich, endlich ein Ende habe – diese eigentlich unblutige und doch bodenlos grausame Szene wird niemand vergessen, der den Film jemals gesehen hat. Versprochen.

Außer meinem Bruder vielleicht, der nächstes Frühjahr frohgemut bei der Bundeswehr eincheckt. Wahrscheinlich aus sportlichen Gründen. Wahrscheinlich hätte ihn ein anderer, tatsächlich apokalyptischer „Anti-“Kriegsfilm davon abgehalten. Der, wo der Dicke am Ende nur noch stöhnt: „Das Grauen, das Grauen …“