Das richtige Kleid zur Vernissage

Schriften zu Zeitschriften: Nach dem Relaunch sucht das Kunstmagazin der Tate Galleries den Crossover zur Mode

Bislang begnügte sich das Magazin der englischen Tate Galleries (Modern, Britain, Liverpool und St Ives) mit dem Untertitel The Art Magazine. Nach dem Relaunch unter Federführung des neuen Herausgebers Condé Nast (Vogue) betont es mit dem neuen Namen Tate. International Arts and Culture seine Weltläufigkeit. Das Magazin richtet sich „an die sechs Millionen Besucher“, die jährlich in die Galerien kommen, ist weltweit an Kiosken und in Galerien erhältlich. Der größte Teil der Auflage aber geht gratis an Tate-Mitglieder. Das Format ist dasselbe geblieben. Gründlich geändert aber hat sich das Innenleben des Magazins.

Neu sind etwa die Mode-Anzeigen von Prada, Paul Smith, Gucci, Chanel und Louis Vuitton, die dem Kunstheft nun eine Dosis zeitgeistige Alltagsästhetik bei mischen. Allerdings scheint der populäre Crossover von Kunst und Mode dem Magazin nicht die Mühe Wert zu sein, ihn auch in der Theorie zu verhandeln. (Dabei dürften gerade die Verbindungen des neuen Herausgebers zu den finanziell potenten Mode-Inserenten seine Wahl befördert haben.) Ein Text über die passende Schuhbekleidung auf Kunst-Großevents wie Documenta (Birkenstock-Sandalen) und Biennale (Prada-Slingpumps) ist der einzige, der sich Modefragen widmet; und er liegt weit unter dem übrigen Niveau.

Die Struktur des neuen Tate-Magazins hat sich nicht dramatisch, aber merkbar verändert, geblieben ist der Fokus auf die Tate-Ausstellungen. Die im Vorwort verkündete Absicht, das Magazin auch für nicht Eingeweihte lesbar zu machen, ist aber überraschend gut umgesetzt worden. So hat zumindest die erste Ausgabe jenen Staub akademischer Abhandlungen verloren, der das Vorgängermagazin noch zum zähen Lesestoff machen konnte. Das gut, manchmal auch glänzend Geschriebene ist ebenso wichtig geworden wie die reine Information.

Auch die Themenmischung wirkt durchweg schwereloser als im alten Tate-Magazin: Bunt und unterhaltsam etwa ist eine Fotostrecke über Gary Hume mit Kommentaren des Künstlers. Elizabeth Peyton gestaltete acht „Künstlerseiten“ mit eigenen Werken, Michael Collins porträtierte Bernd und Hilla Becher, und Anish Kapoor schrieb über seine eigene Arbeit, die derzeit in der Tate Modern ausgestellt ist. Und gleich zwei der vitalsten Artikel (Melanie McGrath über Tracey Emin und Catherine Millet über die Verführung der Kunst) reflektieren auf persönliche Weise die Schwierigkeit, über Kunst zu schreiben.

Das zweite Heft richtet sich da schon deutlich merkbarer an ein Fachpublikum. Das Gespräch mit Matthew Barney über seinen Cremaster-Zyklus etwa gerät zum Insidertalk, und der Artikel über Eva Hesse ist profund, aber weniger packend als ein vergleichbarer Text über dieselbe Künstlerin von Jeanette Winterson im Guardian.

Ein politisch korrektes und maßvoll langweiliges Gespräch mit Miuccia Prada, der Chefin des Prada-Imperiums, und dem Filmregisseur Baz Luhrmann im ersten Heft dreht sich im Wesentlichen um Kunst; Mode und Film kommen nur am Rande vor. Ein bisschen orientierungslos wirkt das Magazin noch, das ein breites Publikum ansprechen will, aber nicht auf hohe Verkaufszahlen angewiesen ist.

Zum Besten der Tate-Hefte gehören die zufälligen Fundstücke. Verstreut über das ganze Heft, finden sich wie in einem steten Hintergrundgeräusch immer wieder Versuche – wie geistreich oder banal auch immer – Kunst überhaupt zu definieren: „Alle Kunstwerke suchen versteckte Gefühle hervorzulocken“, behauptet Catherine Millet. Baz Luhrmann meint, dass am Ende alle Kunst und Kunstfertigkeit unwichtig seien: Es gehe nur darum, was man sagen möchte. Und Marcel Wanders scheint hinzuzufügen: „Nichts hat Bedeutung, außer der Bedeutung, die man ihm gibt.“ So erklärt sich wohl auch der Relaunch des Tate.

MARION LÖHNDORF

„Tate. International Arts and Culture“. Issue 2, Nov./Dec. 2002, 4 £