Zur Unsäglichkeit dieses Gesangs

Boah. Ehrlich. Wenn Heino Michael Jackson sänge oder Maria Callas sich Stefan Raab zu Eigen machen würde, dann würde das gute null Punkte verdienen. Die hoch geschätzte taz aber tut das Gleiche und kreiert sich mit Senait ihren eigenen (No) Angel. Das ist albern.

Tränen habe ich gelacht, als die taz eines jungen Tages ihren Weg zum Grand Prix ankündigte. Neugier. Da kommt Pfiff rein, das wird was richtig Nettes, lustig – die Ironie „Die taz fährt zum Grand Prix“ fand ich herrlichst. Nur: Man hatte sich verschätzt – es gibt keine Ironie.

Nicht nur, dass Polydor in jedem Bildhintergrund flackert, auch – ohne Böses zu wollen – dass Senait selbstverständlich Flüchtlingskind ist und diverse äußerliche Kriterien erfüllt, das passt nicht nur angeblich zur taz, sondern auch in die verherrlichende Schein- und Markt(!)welt dieser Eurovisions. Und es bedient sich der gleichen Klischees des „sich einen Menschen machen“, wie all die Sängerknaben und Melodienfeen auch gemacht sind. Nicht, dass es nicht lustig anzuschauen wäre – aber, ihr Lieben, ihr nehmt es ernst!?

Zu allem Überfluss führt samstäglich kein Weg vorbei an ominösen Textvorschlägen, die schneller als gewollt zum Wochenendkiller werden. […] „Wenn mein Spiegelbild lügt“ („Wenn ich den Boden verlier, / brauch’ ich dich nah bei mir“) oder „Für immer“ („Kann ein Traum wirklich werden, / wird dies die Antwort sein, / das frag’ ich mich / dass Liebe allen Streit glätten kann“) – das präsentiert uns unsere ganz eigene Neue Revue. Und dann dieses Polydor-Schnulzen-Schrott-Geleiere. Nee. Echt nich. […] Und mit diesen euren Liedchen (erzählt nix, die sind doch von Polydor!) das Niveau des Wettbewerbs zu heben, das wird schwierig.

Nun, solang man sich bei der taz nur darüber aufregen muss, herrlich! Aber passt dennoch etwas auf, dass euer Grand-Prix-Gesamtbild (und nur das) – mit Sicherheit eine Idee, die nicht nüchtern gefasst worden sein kann – nichts kaputtmacht. Wenn es der taz ernst mit dem Müll ist, vermute ich, wird es das Gegenteil bewirken, von dem, was vermutlich erzielt werden soll. Das wird ein Imageschaden, wenn es nicht schon einer ist. Und Geld verdienen könnt ihr damit doch auch nicht. Lasst Heino Heino, Senait Senait und euch euch bleiben. Dann gibt’s auch was zu lachen. Alles andere führt ja doch nur zu null Punkten. Denn, mit Verlaub: Leute, das ist einfach Scheiße. MARTIN KAUL, Berlin

Die Redaktion behält sich den Abdruck sowie das Kürzen von Briefen vor. Die erscheinenden LeserInnenbriefe geben nicht notwendigerweise die Meinung der taz wieder.