Auch Christkind tritt in Kaufstreik

Selbst im Weihnachtsgeschäft ist die Wende für den Einzelhandel ausgeblieben. Die Verbraucher haben nicht nurkeine Lust, Geld auszugeben, sie haben allen Grund dazu. Schließlich müssen sie für Krisenzeiten vorsorgen. Und fürs Alter

von BEATE WILLMS

Die Hoffnung ruht jetzt auf den letzten drei Einkaufstagen des Jahres. Denn mit dem Weihnachtsgeschäft hat es auch nicht so geklappt, wie es sich der Einzelhandel gewünscht hat: Selbst am Heiligmorgen blieb der ganz große Andrang in vielen Läden aus. Und nach den ersten Umfragen des Hauptverbandes des Deutschen Einzelhandels (HDE) haben mindestens zwei von drei Unternehmen im November und der ersten Dezemberhälfte schlechtere Umsätze gemacht als im ebenfalls schon schlechten Jahr 2001. Für 2002 insgesamt schätzt HDE-Sprecher Hubertus Pellengahr den Umsatz auf preisbereinigt gut 3 Prozent unter den 380 Milliarden Euro des Vorjahres. Und das interessiert nicht nur die Branche.

Seit Monaten starren Experten aus Wirtschaft und Politik auf den Verbraucher. Bis zu 60 Prozent der wirtschaftlichen Produktion wird durch private Nachfrage bewegt. Aber in diesem Jahr hat er sich bislang verweigert: Statt „Teuro“ hätte das Wort des Jahres „Kaufstreik“ lauten können – im Sinne eines unbefristeten Generalstreiks. Trotzdem macht Pellengahr in Optimismus. „Noch ist nicht alles verloren“, sagte er einen Tag nach Weihnachten. „Die Leute müssen doch ihre Geldgeschenke umsetzen.“ Er habe „noch ein bisschen Hoffnung für die Zeit zwischen den Jahren“.

Dass sich die Verbraucher über das übliche Nachweihnachtsmaß hinaus noch zu plötzlichen Hamsterkäufen motivieren lassen könnten, glaubt allerdings niemand. Immerhin sind die privaten Konsumausgaben in diesem Jahr zum ersten Mal seit der Vereinigung der beiden deutschen Länder geschrumpft. Und das kontinuierlich: Während die meisten Konjunkturexperten mit optimistischen Prognosen ins Jahr gestartet waren und sich nur stritten, ob der Aufschwung im zweiten, dritten oder vierten Quartal kommt, waren die Verbraucher von Anfang an skeptisch.

Lust zum Einkaufen haben sie so wenig wie seit mindestens 20 Jahren nicht mehr. So lange erhebt das Markt- und Meinungsforschungsinstitut GfK in Nürnberg Daten für seinen Konsumklima-Index. Und bei der letzten Aktualisierung im November fiel der Indikator für die so genannte Anschaffungsneigung, die zusammen mit den Erwartungen für das persönliche Einkommen sowie die Konjunktur den Gesamtwert ergibt, auf ein Allzeittief. Auf der Skala von minus 100 bis plus 100 landete er bei minus 55,4 Punkten.

Die Erklärungen dafür sind vielfältig und nur zum Teil „Psychologie“, wie Politiker und Wirtschaftsexperten immer wieder glauben machen wollen. So dürfte der weitere Absturz der Börsen nicht ohne Auswirkung geblieben sein: Laut einer Studie des Mannheimer Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung hat ein Rückgang des Aktienvermögens um 10 Prozent in Deutschland die Auswirkung, dass die Einzelhandelsumsätze um 0,5 Prozent sinken – und seit seinem Allzeithoch im März 2000 haben die Dax-Unternehmen um 63 Prozent an Börsenwert verloren. Vor allem aber macht sich die Krise der realen Wirtschaft bemerkbar. „Es geht nicht um die Psyche der Menschen, sie haben ganz realistische Sorgen“, sagt der Bremer Finanzwissenschaftler Rudolf Hickel.

So seien die verfügbaren Einkommen ohnehin schon weniger gestiegen als erwartet, aber zusätzlich hätten sich viele für ein „Vorsichtssparen“ entschieden – oder entscheiden müssen. „Die Verbraucher sind extrem vorsichtig beim Geldausgeben, wenn sie sehen, dass ihre Arbeitsplätze in Gefahr sind oder Kurzarbeit droht“, so Hickel. Hinzu komme die Einführung der Riester-Rente, also der Zwang zur privaten Vorsorge fürs Alter. Die unübersichtliche Preisentwicklung nach der Euroeinführung habe dann noch für zusätzliche Unsicherheit gesorgt.

Die Strategie, die der Einzelhandel dagegensetzt, ist einfach, aber heikel. Nachdem er über das Jahr hinweg schon auf mehr Serviceleistungen, Gutschein- und Rabattaktionen und enorme Preissenkungen gesetzt hat, hat er nun zum Jahresendspurt angesetzt. „Wir erleben eine Lagerräumung um jeden Preis“, erklärt Johann Hellwege, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes BAG.