Nur die Börse gerettet

Den Städteplanern kam er gut zupass: der große Brand von 1842, der die mittelalterliche Bausubstanz großteils zerstörte. Ausstellung im Museum für Hamburgische Geschichte

von HAJO SCHIFF

In den Tagen der Kerzenlust sei daran erinnert: Das Feuer, das am 5. Mai 1842 im Speicher eines Tabakhändlers in der Deichstraße 42 ausbrach, sollte das folgenschwerste Ereignis der Hamburger Stadtgeschichte werden. Tatsächlich haben selbst die Bombennächte des Zweiten Weltkrieges zwar mehr Opfer gefordert, aber weniger an Stadtgestalt und Regierungsform verändert, als der Brand von 1842 in vier Tagen. Zudem zeigte diese größte europäische Zivil-Katastrophe des 19. Jahrhunderts soziale und mediale Auswirkungen, die bis heute typisch für den Umgang mit solchen Großereignissen sind: Inkompetenz der Verantwortlichen, partieller Zusammenbruch der bürgerlichen Ordnung, Pogrome gegen Ausländer als vermeintlich Schuldige und internationaler Spendensegen.

Mit einer Sonderausstellung erinnert das Museum für Hamburgische Geschichte jetzt an den 160 Jahre zurückliegenden Brand. Die Voraussetzungen sind gut, da Hamburg schon damals internationale Medienstadt war: Rund 500 Lithographien der Katastrophe sind erhalten, selbst die frisch erfundene Fotografie kam zum Einsatz. Zeitungsberichte und Romane haben den Brand zum Thema, es gibt Orden, Gedenkmedaillen, Dankesurkunden und Souvenirs, bestehend aus Holz vom Rathaus und geschmolzenen Weingläsern.

Der Mai 1842 war ein besonders trockener Frühling in der noch komplett mittelalterlich bebauten Freien und Hansestadt. Man bereitete sich auf den Himmelfahrtstag vor. Doch dann kam die Katastrophe. Leider war die Feuerwehr genauso überaltert wie die Fachwerkhäuser. Wind und Trockenheit ließen das Feuer trotz der – allerdings weitgehend unkoordinierten – Arbeit von 1150 Feuerwehrleuten außer Kontrolle geraten: Es wütete 82 Stunden und vernichtete über ein Viertel der dicht bebauten Stadt: 1.749 Häuser, 102 Speicher, die Kirchen St. Nikolai, St. Petri und St. Gertruden, zwei Synagogen, die Alstermühlen und das altehrwürdige Rathaus brannten ab. Als einziges Gebäude im Brandgebiet konnte die im Dezember 1841 fertig gestellte Börse gerettet werden. 51 Tote waren zu beklagen, 20.000 Menschen wurden obdachlos. Der Schaden betrug umgerechnet rund eine Milliarde Euro.

Als der englische Ingenieur Lindley schon drei Tage nach dem Brand einen Wiederaufbauplan zur Neustrukturierung des 42 Hektar großen Areals vorlegte, wurde er nicht gelobt, sondern verdächtigt: Wer so schnell war, hatte bestimmt alles vorher gewusst, wahrscheinlich sogar den Brand legen lassen. Dass es frühere Aussagen gibt, nur ein großer Brand könne die städtebauliche Situation in Hamburg bereinigen, ist dabei eher auf die Frustration einzelner Neuerer zurückzuführen – auch wenn die wirkliche Brandursache bis heute unklar ist. Der Ort des Brandbeginns in der Deichstraße wurde übrigens nicht zerstört und beherbergt heute ein Lokal mit dem sinnigen Namen Zum Brandanfang.

Eine Reform der Feuerwehr war unabdingbar, aber schon im Vorfeld der 1848er Bewegung wurde der Ruf nach weitergehenden Reformen laut. Auch wenn vieles seine Zeit brauchte: Bis zur beginnenden Kaiserzeit lassen sich die meisten Veränderungen in Hamburg auf den Brand zurückführen. Der Wiederaufbau nach einem begradigten Stadtplan und mit reinen Steinhäusern, mit neuer Wasserversorgung und einem neuen Sielsystem machte Hamburg schließlich unter Mithilfe englischer Ingenieure zur modernen Stadt. Die Wiederaufbaukosten wurden wesentlich von der 1676 gegründeten Feuerkasse, aber auch durch eine erst 1888 abbezahlte Staatsanleihe bezahlt.

Es brannte an allen Ecken zugleich. Hamburg 1842, Museum für Hamburgische Geschichte, Holstenwall 24; Di–Sa 10–17 Uhr, So 10–18 Uhr; bis 23. Februar. Silvester und Neujahr geschlossen.