Lieber dreimal dasselbe erzählen

Kleine Staatsbürgerkunde zum Jahresausklang: Bremen ist kuschelig, auch und gerade beim Regieren. Volksvertreter und Verwaltungsmenschen regieren miteinander – kein Problem, finden viele. Sehr wohl, halten manche Kritiker dagegen

Es ist ein Durcheinander. Aber die, die’s stört, sind in der Minderheit oder so wenige, dass ihr Missmut ungehört bleibt. Wo Exekutive und Legislative sich mischen, besteht Nachholbedarf in Sachen Demokratietheorie – oder man ist in Bremen. Das hiesige Nebeneinander von rein parlamentarisch besetzten Ausschüssen und Deputationen, in denen gewählte Volksvertreter und bestellte Verwaltungsmenschen miteinander regieren, ist so in Deutschland einzigartig.

Einer der Kritiker dieses Miteinanders von Politik und Verwaltung ist der Grüne Hermann Kuhn. Ginge es nach ihm, würden alle Deputationen durch Ausschüsse ersetzt. Während letztere – Bremen hat derzeit 18 ständige Ausschüsse – nur mit Parlamentariern besetzt sind, die vor- oder nachbereiten, was das Parlament beschließt und so die Exekutive kontrollieren, seien die jedem Senatsressort zugeordneten Deputationen Relikte „gemischter, vorparlamentarischer Verhältnisse“, so Kuhn.

In den Deputationen sitzen sowohl Vertreter der Bürgerschaft als auch des Senats. Sie entscheiden über die Aktionen des jeweiligen Ressorts. Den Vorsitz hat der jeweilige Senator, der auch bestimmt, was auf die Tagesordnung kommt – manchmal per Tischvorlage, sprich ohne jede Vorbereitungszeit für die Deputierten. Von Seiten der Bürgerschaft sind es nicht nur Abgeordnete, die in Deputationen sitzen, sondern auch fachkundige Personen, die sich im Thema auskennen, immer aber auch ein Parteibuch haben. Ein Deputierter kassiert 417 Euro im Monat. Bei Abgeordneten ist diese Aufwandsentschädigung in der Diät inbegriffen, bei allen anderen nicht. Dass Deputierte einen Teil des Geldes an ihre Parteien abdrücken müssen, gibt zwar keiner offen zu, aber es ist gängige Praxis. Kenner des Bremischen Parlamentarismus sind sicher, dass dieser Geldfluss einer der Gründe ist, warum die großen Parteien das Deputationswesen nicht antasten – die Deputiertenpöstchen sind offenbar Bonbons, mit denen Parteitreue zwar nicht materiell, aber mit Anerkennung belohnt wird.

Das Miteinander von Verwaltung und Parlament in den Deputationen kann für Abgeordnete zur komplizierten Gemengelage werden, fürchtet der Bremer Rechtswissenschaftler Erich Röper: „Sie müssen sich in den Deputationen am Verwaltungshandeln beteiligen, das sie anschließend in der Bürgerschaft kontrollieren und gegebenenfalls kritisieren sollen.“ Eine vernünftige Kontrolle der Exekutive sei so „kaum möglich“. Röpers Parteifreund Jens Eckhoff, Vorsitzender der CDU-Bürgerschaftsfraktion, kann hingegen an den Deputationen nichts Schlimmes finden. Zudem entstammten sie einer „gewissen Tradition“.

In Ausschüssen wie dem Ausländer-, Datenschutz- oder Europaauschuss werden oft Dinge verhandelt, die mehrere oder alle Ressorts angehen. Zudem ist ihr Geschäft oft zäh. So beim Gleichberechtigungsausschuss, der alle paar Monate darüber lamentiert, wie langsam es mit der Verankerung von Gender Mainstreaming in der öffentlichen Verwaltung vorangeht.

Dass das von allen Interessenten gut zu begründende Miteinander der Gremien auch zu Wiederholungen führt, lässt sich am Hafenausschuss demonstrieren. Dort sitzen fachlich kompetente Parlamentarier – ohne Entscheidungskompetenzen. Die Entscheidungen fallen in der Hafendeputation, in der zum Teil die selben Parlamentarier sitzen. Wenn es aber um‘s Geld geht, sind wiederum die Wirtschaftsförderausschüsse zuständig. Martin Günthner (SPD), Vorsitzender des Hafenausschusses und Hafendeputierter, findet mitnichten, dass der Ausschuss überflüssig sei. Hier werde „Hafenpolitik grundlegender diskutiert“ und das inhaltlich vorbereitet, was die Deputation dann entscheide. Er würde eher „darüber nachdenken, ob man die Deputationen braucht“. Günthner: „Warum lässt sich das Parlament mit dem Deputationswesen gewisse Sachen aus der Hand nehmen?“ Eins sei klar: „Die Politik trifft die Entscheidungen.“ Gleichwohl würde es in der Praxis „die Sache wesentlich vereinfachen“, räsonniert der SPD-Mann, „wenn man nicht in drei Gremien immer das Gleiche erzählen müsste.“ Susanne Gieffers