Das Grinsen kehrt zurück

Sven Hannawald gewinnt beim diesjährigen Auftakt der Vierschanzentournee in Oberstdorf sein fünftes Tour-Springen in Folge, aber auch Martin Schmitt beeindruckt mit Rang vier

aus Oberstdorf KATHRIN ZEILMANN

Die aufblasbare lila Plastikkuh hat sich bestimmt nicht absichtlich abgewandt von der Schanze. Denn die Kuh, die für die gleiche Schokoladensorte wirbt wie Skispringer Martin Schmitt, hat keine schlechte Leistung Schmitts gesehen. Dabei absolvierte er gestern beim Auftakt der Vierschanzentournee in Oberstdorf erst sein drittes Springen in dieser Saison. Mit Flügen von 121 und 119 Metern bewies er, dass er nach seiner Knieoperation wieder zu den besten Springern aufgeschlossen hat, am Ende war er Vierter. Ein hervorragendes Ergebnis, auch wenn er erneut vom Teamkollegen Sven Hannawald übertroffen wurde, der den Eindruck erweckte, als seien seit der letzten Tournee nicht zwölf Monate, sondern nur ein paar Tage vergangen. So souverän wie vor einem Jahr, als er alle vier Springen gewann, siegte Hannawald auch gestern mit 125,5 und 119 Metern vor dem Österreicher Martin Höllwarth (122,5/119) und dem Finne Janne Ahonen (124/118,5).

Martin Schmitt aber, lange Jahre der Überflieger im Skisprung-Zirkus, hat das Tal durchschritten und klettert wieder den Berg hinauf. Der Gipfel heißt Erfolg, heißt Sieg, heißt Goldmedaille. Zwar träumt Schmitt vom Gesamtsieg bei der Vierschanzentournee, nach der langen Pause vor dieser Saison wird er dieses Ziel aber kaum verwirklichen können. Umso mehr reizt Schmitt die Weltmeisterschaft im Februar 2003 in Val di Fiemme, wo er zum dritten Mal in Serie den Titel auf der Großschanze holen könnte. „Klar, das wäre schon was“, sagt er.

Zu Weltmeisterschaften war Schmitt immer fit. 1999, in jener Saison, als der junge Bursche aus dem Schwarzwald kometenhaft nach oben stieg und die Weltspitze des Skispringens eroberte, wurde er in Bischofshofen/Ramsau Einzelweltmeister und gewann Gold mit dem Team. Seitdem wird die Skisprung-Mannschaft Boy-Group genannt, Schmitt ist ein Teenie-Held, der auf großen Postern an den Wänden in Mädchenzimmer lächelt und den sich viele Mütter zum Schwiegersohn wünschen. Denn Schmitt verursacht keine Skandale, sein Leben läuft nach dem Muster Springen, Trainieren, ein bisschen Urlaub, ein paar PR-Termine ab. Sein Grinsen ist nett, gemeinhin wird es von der jugendlichen Anhängerinnenschaft als „süß“ bezeichnet, sein Schwarzwald-Dialekt macht ihn sympathisch, und intelligent, so die gängige Meinung, ist er auch noch. Immerhin mit Abitur und einem angefangenen Sport- und Wirtschaftsstudium.

2001 war wieder Weltmeisterschaft. Schmitt hatte inzwischen ernsthafte Konkurrenten bekommen. Den Polen Adam Malysz etwa oder den Finnen Janne Ahonen. Weltmeister geworden ist er trotzdem. Nur mit der Tournee hat er so seine Schwierigkeiten. In jener fantastischen Saison 1998/1999, als er Weltcupsieger und Weltmeister wurde, gewann Schmitt die Springen in Oberstdorf und Garmisch-Partenkirchen, der Gesamtsieg schien so gut wie sicher, doch der Absturz erfolgte in Innsbruck und Bischofshofen. Schließlich siegte Ahonen.

Die beiden folgenden Jahre gewann Schmitt jeweils die Auftaktspringen in Oberstdorf, und ganz Deutschland wartete auf weitere Erfolge bis hin zum Tourneesieg. Aber Schmitt patzte, einmal gewann der Österreicher Andreas Widhölzl, ein andermal Malysz. Schmitt war ratlos, ebenso sein Trainer Reinhard Heß. „Martin ist eben auch nur ein Mensch“, erklärte dieser nach den Tournee-Abstürzen seines Schützlings.

Und im Vorwinter war Schmitt nur ein Name unter vielen, als Sven Hannawald, zu dem er eigenen Aussagen nach „ein freundschaftliches Verhältnis“ pflegt, als erster Springer viermal siegte. Die Knieoperation im September hat Schmitt in seinen Saisonvorbereitungen arg zurückgeworfen. Erst in Engelberg, beim letzten Weltcup vor der Tournee, wagte er sich wieder in den Wettbewerb. Mit mäßigem Erfolg, den Plätzen 16 und 33. „Ganz ehrlich, ich hätte mir mehr von ihm erwartet“, sagte Kotrainer Wolfgang Steiert.

Doch im deutschen Team zweifelte keiner, dass es Schmitt wieder zurück in die Weltspitze schaffen würde. „Martin ist cool“, meint Steiert, der den Schwarzwälder auch daheim in Furtwangen betreut. Bis zur WM, so gestatten Steiert und Heß, darf Martin auch cool bleiben, es locker angehen lassen. „Bei 80 Prozent“ sieht Steiert seinen Schützling derzeit und verspricht: „Bis zur WM ist er voll fit.“