Die Dosen-Revolution fällt aus

Trotz Erhöhung der Ökosteuer und der Einführung des Pfands auf Wegwerfflaschen zum 1. Januar 2003 ist der grüne Umweltminister Jürgen Trittin diesmal nicht der Buhmann. 40 Prozent der Bundesbürger wollen auf die Dosen verzichten

von HANNES KOCH

Meistens merkt man von Umweltpolitik nicht viel. Sie findet im Verborgenen statt. Der kommende Mittwoch ist hingegen einer jener Tage, an denen das anders sein wird. Am 1. Januar 2003 steigen die Benzinpreise wegen der neuerlichen Erhöhung der Ökosteuer um bis zu fünf Cent pro Liter. Und zusätzlich werden die Getränkedosen massiv teurer, weil die Geschäfte erstmals das neue Pfand erheben müssen. Beide Regelungen sind eng mit dem Namen des Bundesumweltministers verknüpft, dem Grünen Jürgen Trittin.

Doch obwohl die Konsumenten für den Umweltschutz tiefer in die Tasche greifen müssen, steht Trittin in der Öffentlichkeit derzeit kaum unter Druck. Das war schon mal anders – zum Beispiel im Herbst des Jahres 2000. Anlässlich der damals bevorstehenden Ökosteuererhöhung inszenierte die Boulevardpresse den Grünen als ideologisches Irrlicht. Und CDU-Chefin Angela Merkel schürte die „Benzinwut“ gegen die „K.O.-Steuer“.

Warum ist es diesmal so still? In beiden Themen steckt wohl zu wenig populistisches Agitationspotenzial. Die Ökosteuer, so scheint es, hat sich als Kampfthema durch den Gewöhnungseffekt bereits abgenutzt, im Übrigen überschreitet der Spritpreis jetzt keine magische Grenze, wie sie einstmals die Zwei-Mark-Hürde markierte.

Auch beim Dosenpfand hält sich die Aufregung in Grenzen. Einer Umfrage des Instituts Emnid zufolge wollen 40 Prozent der Bundesbürger schlicht auf den Kauf von Cola und Mineralwasser in Einwegverpackungen verzichten – der einfachste Weg, das Pfand von 25 Cent pro Dose und 50 Cent bei großen Behältern zu umgehen.

Außerdem dürfte sich herumgesprochen haben, dass Trittin die komplette Justiz auf seiner Seite hat. Mit einer Klagewelle sondergleichen versuchte die Einweg-Industrie, das Pfand zu stoppen – ohne Erfolg. Vor wenigen Tagen noch entschied das Bundesverfassungsgericht zugunsten des Pfands.

Auch wenn der große Aufruhr ausbleiben sollte, bringt das Pfand trotzdem einige Unbequemlichkeiten. Weil Dosenhersteller und viele Handelskonzerne jegliche Vorbereitung auf die Rücknahme der Verpackungen boykottiert haben, gibt es zum Jahreswechsel kein bundesweites Automatensystem. Die Folge: Wer ab Mittwoch Dosen oder Einwegplastikflaschen kauft, bekommt das Pfand nur in demselben Geschäft zurück. Als Ausweis gilt vielerorts der Einkaufsbon – die Einzelhändler wollen damit vermeiden, mehr Pfand auszahlen zu müssen, als sie eingenommen haben. Erst ab Oktober 2003 soll es ein flächendeckendes System geben, bei dem man die speziell markierten Dosen in jedem beliebigen Supermarkt in Rücknahme-Automaten werfen kann.

Wird das Pfand für die Konsumenten mit der Zeit unproblematischer, so behält es gerade für kleine Geschäfte seine Tücken. Denn es strapaziert die knappen Ressourcen Platz und Arbeitskraft. So geraten kleine Läden in echte Schwierigkeiten auf der Suche nach Stauraum für die abgegebenen Dosen. Außerdem lohnt sich für sie ein Rücknahmeautomat in vielen Fällen nicht, weshalb sie zusätzliches Personal brauchen.

Auch in der Getränkeindustrie kann es zu gewissen Reibungsverlusten kommen. Der Absatz von Getränken in Einwegverpackungen sei um „40 bis 50 Prozent“ zurückgegangen, heißt es beim Arbeitskreis Marke und Verpackung, über den die Großbrauereien ihre Anti-Pfand-Kampagne organisierten. In der Tat wollen mehrere Handelsketten einstweilen gar kein Dosenbier mehr verkaufen. Das führt zur Unterauslastung der Einwegproduktionsstraßen bei Becks & Co. Wenn auch die interessengeleiteten Horrorzahlen der Dosenlobby – angeblich stehen 50.000 Arbeitsplätze auf dem Spiel – mit der Realität wenig zu tun haben sollten, könnte das Pfand doch einige Jobs kosten. Zu einem Teil allerdings dürfte es zu einer Verlagerung auf die Abfüllung von Mehrwegbehältern kommen – mit entsprechend positiven Auswirkungen für die Beschäftigten.

Im Übrigen kontert Umweltminister Trittin mit dem Hinweis auf die 250.000 Jobs bei kleinen und mittelständischen Brauereien, die durch den Siegeszug der Dose gefährdet seien. In dieser Hinsicht steht ganz Süddeutschland, die Hochburg des Brauereigewerbes, hinter dem grünen Minister. Auch diese Gefechtslage dürfte dazu beitragen, dass Trittin als Feindbild zurzeit nicht taugt.