Architekturstreit: Staatsoper bleibt DDR-Kulisse
Vorwärts nimmer, rückwärts immer: Der Senat schreibt die Renovierung der Staatsoper neu aus. Der Entwurf für einen modernen Saal ist vom Tisch. Maß aller Dinge bleibt die Retro-Vorlage von 1955.
Nun sind also die Architekten schuld daran, dass es bei der Neugestaltung des Staatsopersaals Dissonanzen gibt. Der Regierende Bürgermeister und Kultursenator Klaus Wowereit und die Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (beide SPD) verkündeten am Dienstag ihre Entscheidung, keinen der Siegerentwürfe aus dem bereits entschiedenen Wettbewerb für den Zuschauerraum zu berücksichtigen. Stattdessen wird die gesamte Opernrenovierung neu ausgeschrieben. Grund: Keiner der Architekten habe einen genehmigungsfähigen Entwurf vorgelegt. "Vielleicht war die Zielsetzung des Verfahrens zu ambitioniert für die Teilnehmer", sagte Wowereit und schob den Architekten die Verantwortung zu.
Im Mai hatte eine Jury aus Architekten und Vertretern von Bund und Land einen modernen Entwurf des Architekten Klaus Roth prämiert. Dieser sah eine moderne Neugestaltung des Großen Saals vor, den der DDR-Architekt Richard Paulick 1955 in neobarockem Stil errichtet hatte. Im Rennen war auch ein Entwurf von Gerd Heise, der nur behutsame Eingriffe in die Paulick-Ästhetik vorsah. Der Saalumbau ist Teil der 2010 beginnenden und 250 Millionen Euro teuren Sanierung der maroden Staatsoper.
Der Siegerentwurf löste einen erbitterten Streit aus. Klangspezialisten wie der Staatsoper-Interimsintendant Daniel Barenboim und Opernstiftungsdirektor Stefan Rosinski bevorzugten den modernen Entwurf seiner besseren Akustik wegen. Damit hätte ein Defizit des Großen Saals behoben werden können.
Doch der Regierende, der ebenso wie der Unternehmer und Geldgeber Peter Dussmann gegen den Roth-Entwurf war, setzt sich nun über das Votum der Fachjury hinweg, das für den Senat nicht bindend ist. Wowereit will den ganzen Paulick - und gibt nachträglich dem Denkmalschutz recht, der schon mit dem Text der ersten Ausschreibung unglücklich war. Jetzt wird ein "Generalplaner" für die Gesamtsanierung gesucht - inklusive denkmalgerechter Restaurierung des Saals. Damit ist die Architekturdebatte beendet; im Inneren der Oper bleibt alles wie gehabt. Laut Wowereit ist diese Linie "einvernehmlich" mit dem Bund festgelegt worden. Er hatte sich am Montag mit Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) getroffen.
Doch was ist mit der schlechten Akustik? Verbesserungen ließen sich auch unter Denkmalschutz realisieren, so Senatorin Junge-Reyer. Sie zeigte sich zuversichtlich, dass man den zweiten Wettbewerb zügig abschließen und den Zeitplan für die Sanierung "weitgehend einhalten" könne.
Der Koalitionspartner Linke begrüßte die Entscheidung. Der Streit habe sich gelohnt, so die Fraktionsvorsitzende Carola Bluhm. Mit der Bekräftigung des Denkmalschutzes für die Staatsoper werde die eindrucksvolle Aufbauleistung der DDR anerkannt und "der schmerzliche Verlust der Schlossruine ins Bewusstsein gerufen". Dussmann sprach von der "Rettung des historischen Opernhauses", die das "Erbe Friedrich des Großen" bewahre.
Die oppositionellen Grünen kritisierten dagegen die Senatsentscheidung. Auf der Strecke blieben die Musiker und die Opernbesucher, die sich eine optimale Akustik und eine verbesserte Sicht gewünscht hätten. Nähme sich der Senat selber ernst, dann müsste er nun in eine Strukturdiskussion einsteigen, sagte die kulturpolitische Sprecherin Alice Ströver. Es scheint, als ob die Operndebatte bald wieder in eine neue Runde geht.
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