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Architekturpsychologe zum Alexanderplatz:"Das sieht aus wie in Bottrop"

Die Läden im Shoppingzentrum "Die Mitte" können glücklich sein, wenn überhaupt Kunden kommen: Die Fassade wirke abweisend, so der Architekturpsychologe Stephan Obenhaus.

Interview von Kristina Pezzei

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taz: Herr Obenhaus, wie wirkt die Fassade des neuen Einkaufscenters "Die Mitte" auf Verbraucher?

Stephan Obenhaus: Auf jeden Fall ist das ein industriell gefertigter Bau, da wurde scheinbar sehr ökonomisch gedacht. Die Fassade ist letztlich nichts Besonderes - eher Investorenarchitektur von der Stange.

Hat sie denn nichts Positives?

Was der Wirkung vorteilhaft entgegenkommt, ist der große Platz davor: Der Betrachter kann aus relativ weiter Distanz die Gesamtfassade und ihre materielle Strukturierung erfassen. Sie gewinnt damit an visueller Information, sie wird komplexer und dadurch interessanter. Oft hat man ja vor der Fassade nur eine Straße und steht dann maximal 30 Meter davor - das Gebäude hier hätte dann noch weniger zu bieten. Grundsätzlich ist es bei solchen Bewertungen aber wichtig, zwischen der Sicht von Profis und Laien zu unterscheiden: Architekten freuen sich über Dinge, die Laien nicht sehen oder zum Teil nicht gut finden.

Die Fassade ist halb in Glas gefasst, halb in Naturstein - will ich da rein?

Eine Glasfassade kann sehr verschieden wirken, und das muss auf keinen Fall negativ sein. Glas kann eine gewisse Semitranzparenz bieten, die dem Betrachter vielleicht interessante Entdeckungen bieten oder zumindest versprechen kann. Aber in diesem Fall ist da ja erst mal nicht viel zu sehen. Sollten die verglasten Fronten irgendwann mit Leben gefüllt werden, kann das durchaus die Lebendigkeit und Kommunikativität der Fassade erhöhen - für die Wirkung spielt hier dann aber auch das, was hinter der Verglasung passiert, eine Rolle. Insgesamt wirkt diese Fassade eher wie versiegelt und vermittelt den Eindruck, als ob dort kein Unbefugter Zutritt hätte.

Aber Glas versucht doch eine Form von Kommunikation zwischen innen und außen zu ermöglichen.

Von dieser Art Gebäude, mit Menschen hinter Glas, haben wir viele - denken Sie nur einmal an Bürohäuser. Wenige sind sonderlich einladend für den Betrachter draußen. Ich glaube, wenn bei einer Umfrage nur ein unkommentiertes Bild dieser Fassade gezeigt würde, würden die meisten das Gebäude für ein Büro- oder gar ein Parkhaus halten.

Das kann einem beim benachbarten Einkaufszentrum "Alexa" ja nicht passieren.

Das Alexa finde ich als Architekturpsychologe sehr spannend. Es ist zwiespältig: Kitsch, sagen Architekten, und das ist auch für mich nachvollziehbar. Aber kommerziell ist es aus verkaufsorientierter Perspektive durchaus vorteilhaft gemacht. Noch besser wäre gewesen, hätte man die mit den gotisch anmutenden Bögen verzierten Wände mit mehr Fenstern versehen. Jetzt hat man immerhin das aus architekturpsychologischer Sicht Schlechteste verhindert, nämlich den Eindruck einer fensterlosen Brandwand. Auf viele Laien wird das Alexa einen positiven Eindruck machen; das kann sich höchstens durch die negative öffentliche Diskussion verändert haben.

Und die viel diskutierte Farbe, die entfernt an Flamingos erinnert?

Die Farbe ist zumindest für die Gebäudenutzung geschickt gewählt. Rot wirkt aktivierend - eine wichtige Voraussetzung, um Kaufbereitschaft zu erzeugen. Aus dieser Perspektive kann die gestalterische Vielfältigkeit der Fassade auch als konsequent betrachtet werden. Es ist ein bisschen wie Disneyworld mit diesen Bögen, die an etwas Gotisches erinnern.

Gibt es noch andere Anspielungen?

Zugleich wird stark die Moderne aus den 20er-Jahren in Berlin zitiert: Sie bietet Form- und Materialvielfalt in einem aufgelockerten Konzept. Ein Konsument geht ja gern nach Disneyworld - und dann geht er auch ins Alexa und kauft ein. Insofern ist es gelungen. Ob die Alexa-Fassade allerdings vorteilhaft für das Stadtbild ist, das ist eine ganz andere Frage.

Stört das Unregelmäßige an einer Fassade nicht eher?

Der Laie hat eher das Gefühl, da steckt Arbeit dahinter und Liebe zum Detail drin, da hat sich jemand Mühe gegeben. Wenn nichtdesignorientierte Menschen so eine Fassade wie die des Alexa mit der vom neuen Zentrum "Die Mitte" vergleichen, empfinden sie bei Ersterer vielleicht Wertschätzung. Bei Letzterer spüren sie eher den ökonomischen Ansatz und fühlen sich durch die relativ reduzierte Formsprache wahrscheinlich abgewiesen. Der Laie sieht vielleicht nicht alles, aber er spürt es.

Wirkt sich das aufs Kaufverhalten aus?

Ja - insoweit die Fassadengestaltung die Wahl des Kaufhauses beeinflussen und beim Betreten eine für den Konsum günstige Stimmung bewirken kann. Grundsätzlich darf man bei diesem neuen Gebäude hier aber nicht vergessen: Es ist zentral gelegen und hat super Bedingungen. Vielleicht haben die Investoren auch so gedacht: Der Ort ist quasi genial, da muss man in die Architektur nicht viel reinstecken. Jedenfalls sieht die Fassade so aus. Sie könnte auch in Bottrop stehen - und da haben sie sogar nettere Häuser. Für die Passanten ist das wirklich ungemein langweilig.

INTERVIEW: KRISTINA PEZZEI

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