Arbeitsplatz TSG 1899 Hoffenheim: Juristische Herzensangelegenheit
Hoffenheim will Prince Tagoe fristlos kündigen, weil er angeblich chronisch herzkrank ist. Der Ghanaer beharrt auf seine Gesundheit und den Dreijahres-Vertrag. Eine Einigung ist nicht in Sicht.
BERLIN/HOFFENHEIM taz | Ralf Rangnick und sein Verein TSG 1899 Hoffenheim genießen kein schlechtes Image, seit sie in der vergangenen Bundesliga-Saison mit begeisterndem Offensivfußball die Liga aufmischten und auch die bissigen Angriffe aus München nonchalant parierten. Dass es am Ende dann doch nicht für den ganz großen Sprung an die Tabellenspitze reichte, verlieh dem furiosen Aufsteiger im Haifischbecken Bundesliga menschliche Züge.
Nun allerdings kratzen die Verantwortlichen in Hoffenheim selbst am Bild des eleganten Dorfvereins, sie könnten in naher Zukunft juristische Schwierigkeiten bekommen. Am Mittwoch gab der Klub bekannt, den Vertrag mit Neuverpflichtung Prince Tagoe fristlos zu kündigen, da bei einer eingehenden Untersuchung des ghanaischen Stürmers vor zwei Wochen Herzprobleme festgestellt worden seien.
So heißt es in einer Pressemitteilung: "Aufgrund der momentanen Sachlage können wir es nicht verantworten, Prince Tagoe an irgendwelchen sportlichen Aktivitäten des Klubs teilnehmen zu lassen. Wir haben derzeit auch keine Anhaltspunkte dafür, dass sich dies künftig ändern wird." Vor diesem Hintergrund könne man das Arbeitsverhältnis mit dem Spieler nicht aufrechterhalten.
Dass Tagoe, der erst im Juni einen Dreijahresvertrag in Hoffenheim unterschrieben hatte, im obligatorischen Medizincheck vor Vertragsabschluss für tauglich befunden wurde, scheint den Verantwortlichen dabei entgangen zu sein. Manager Jan Schindelmeiser verteidigte am Donnerstag die Maßnahme seines Vereins, er fürchtet keinerlei rechtliche Konsequenzen. Es liege eine schwerwiegende Diagnose vor, die man nicht ignorieren könne: "Die Ärzte haben keine Verantwortung übernommen. Unsere Juristen haben uns daher dringend angeraten zu reagieren."
Tagoes Anwalt Markus Buchberger sieht das naturgemäß etwas anders. Die fristlose Kündigung seines Mandanten sei "nicht korrekt", da laut Fifa-Statuten ein Vertrag Gültigkeit besitze, sobald die Sporttauglichkeit des Spielers einmal attestiert wurde. Ein Gegengutachten, das Buchberger in Auftrag gegeben hat, bestätige die Diagnose der Hoffenheimer Ärzte nicht: "Dieser Kardiologe hat die Sporttauglichkeit bislang nicht verneint", so Buchberger. Daher gehe er von einem Missverständnis und der Rücknahme der Kündigung aus. In Hoffenheim wiederum weiß man von einer erneuten Untersuchung nichts. Über medizinische Einzelheiten schweigen beide Seiten.
Aus arbeitsrechtlicher Sicht scheint der Fall klar zu sein: Die fristlose Kündigung wäre nur dann zulässig, wenn Tagoe von seiner Herzkrankheit wusste: "Dem Spieler muss nachgewiesen werden, seine Krankheit vorsätzlich bei der Eingangsuntersuchung verschwiegen zu haben", sagt der Sportrechtler Michael Lehner der taz.
Da dies schwer werden könnte, werden die Kraichgauer wohl auf eine Einigung mit dem Stürmer aus sein. Diese könnte eine Vertragsauflösung mit entsprechender Abfindung beinhalten. Beharrt der Vorjahres-Siebte Hoffenheim allerdings auf der Kündigung, wird es wohl ein juristisches Nachspiel geben: "Unser Wunsch ist es, auch im Sinne des Spielers eine für beide Seiten zufrieden stellende Lösung zu finden, da das Ganze ja auch eine menschliche und tragische Komponente hat", sagt Vereinssprecher Markus Sieger der taz. So oder so, der Fall Tagoe wirft dieser Tage kein gutes Licht auf das beschauliche Hoffenheim.
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