Arbeitsplatz-Ideen: Trendschwein Bremen
■ Kammer legt den ersten „Bericht zur Lage der Arbeitnehmer“ vor – eine deftige Kritik an Bremens Wirtschaftsförderung
Die Situation auf dem Bremer Arbeitsmarkt ist schlecht. Rund 41.000 Menschen suchen im Moment im Land Arbeit. Annähernd 40.000 Menschen verdienen zu wenig, um ihr Leben zu finanzieren. Die Arbeitnehmerkammer hat sich die Bedingungen angeschaut, unter denen die Bremer arbeiten. Herausgekommen ist der erste „Bericht zur Lage der Arbeitnehmer in Bremen 2001“, den Geschäftsführer Heinz Möller gestern vorgestellt hat.
Und der fällt wenig rosig aus: „In Bremen wird der Erfolg der Sanierung am Wirtschaftswachstum gemessen“, sagte Möller. „Wir messen das daran, ob Arbeitsplätze entstehen.“ Zwar hat das Wirtschaftswachstum 2001 1,2 Prozent über dem des Bundes gelegen – neue Arbeitsplätze waren aber Fehlanzeige. Finanzsenator Hartmut Perschau (CDU) könne den Haushalt nur sanieren, indem er Arbeitsplätze schaffe und erhalte, sagte Möller. Schließlich zahlten die Arbeitnehmer heute das Gros der Bremer Steuern – nicht die Betriebe.
Um Arbeitsplätze zu erhalten, müsse der Senat mehr Geld investieren, fordert Hella Baumeister, Referentin für Arbeitsmarktpolitik bei der Kammer. In den neunziger Jahren habe Bremen nach dem Motto gehandelt: ,Jeder Arbeitsplatz ist wichtig – egal zu welchen Bedingungen.' Das Land habe vor allem auf Quantität geachtet, Call-Center nach Bremen geholt, Mindeststandards wie Urlaubsregelungen und Gehälter waren dabei egal. „Günstiger zu sein als der Nachbar, um so die Betriebe zu halten, rechnet sich für keinen“, kritisiert Baumeister. Sobald ein Unternehmen anderswo bessere Bedingungen finde, wandere es ab. Wichtig sei es Unternehmen anzuwerben, die an Bremens Wirtschaftsstruktur andocken, sich untereinander ergänzen und deshalb hier bleiben.
Und dann hat Baumeister noch eine Idee für den Wirtschaftssenator: Bremen soll nicht auf die großen „Züge aufspringen, die schon voll sind“. Dabei denkt sie an den „Musical-Flop“. „Wenn man etwas Neues machen will, das nicht zu den Strukturen passt, muss es innovativ sein“, findet Baumeister. Anders gesagt: Bremen muss Trendschwein werden. So wie Mitte der neunziger Jahre, als man die Marktlücke Call-Center entdeckte – allerdings die Mindeststandards vergaß.
Was die Kritik der Kammer bringen wird, wird sich zeigen: Jedes Jahr soll es einen neuen Bericht geben. tim
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