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Arbeitsmarkt in DeutschlandTrotz Abi keine Ausbildung

Mehr als zwei Millionen der 20- bis 34-Jährigen sind ohne Berufsabschluss. Doch nicht alle sind Schulabbrecher, sagt Forscher Günter Walden.

„Das System ist sehr gut“: Walden lobt Ausbildungen in Deutschland. Bild: dpa
Interview von Franziska Haack

taz: Herr Walden, im Bundestag debattiert man über den Export des deutschen Ausbildungssystems in europäische Krisenländer wie Spanien. Ist das duale System, das Lernen in Betrieb und Berufsschule kombiniert, wirklich so gut?

Günter Walden: Das System ist sehr gut. Man kann das an der vergleichsweise geringen Arbeitslosenquote unter Jugendlichen festmachen.

Trotzdem sind 2,2 Millionen 20- bis 34-Jährige ohne Berufsabschluss.

Wir hatten lange eine sehr schwierige Situation auf dem Ausbildungsstellenmarkt. Viele Jugendliche konnten keine Ausbildung machen, obwohl sie das wollten. In den vergangenen zehn Jahren sind immer etwa 15 Prozent einer Gesamtkohorte ohne Ausbildung geblieben.

Wer sind die jungen Menschen ohne Ausbildung? Nur Schulabbrecher?

Es sind natürlich vor allem Jugendliche mit schlechteren schulischen Voraussetzungen. 18 Prozent derjenigen ohne Berufsabschluss haben vorher auch die Schule ohne Abschluss verlassen. Auf der anderen Seite gibt es die Jugendlichen, die einen durchaus guten Schulabschluss haben und trotzdem keine Ausbildung abschließen.

Bild: BIBB
Im Interview: GÜNTER WALDEN

ist Leiter der Abteilung „Sozialwissenschaftliche Grundlagen der Berufsbildung“ beim Bundesinstitut für Berufsbildung. Das BIBB forscht zu Aus- und Weiterbildung.

Wie kommt das?

Da sind zum Beispiel die vielen Studienabbrecher, die anschließend keine betriebliche Ausbildung mehr machen. Sie machen 16 Prozent der Menschen ohne Berufsabschluss aus.

Das Übergangssystem, in dem Jugendliche für eine Ausbildung fit gemacht werden sollen, wird oft als ineffizient kritisiert. Wäre eine Ausbildungsplatzgarantie besser?

Beim Übergangssystem muss man genau unterscheiden. Es gibt Maßnahmen, die zum Beispiel zu einem höheren Bildungsabschluss führen und daher sinnvoll sind für Jugendliche mit schlechtem oder fehlendem Schulabschluss. Wenn die schulischen Voraussetzungen relativ gut sind, die Jugendlichen also direkt eine Ausbildung beginnen könnten, ist das Übergangssystem weniger erfolgreich. Hier sollte man etwas ändern und die Perspektive eines Berufsabschlusses stärker miteinbeziehen. Viele Bundesländer versuchen ja bereits das Übergangssystem neu zu ordnen.

Wird sich der Anteil der Unqualifizierten in Zukunft verändern?

Die Ungelernten haben besonders schlechte Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Wir brauchen eine bessere Förderung von Personen, die schlechte schulische Voraussetzungen mitbringen. Und wir brauchen auch eine entsprechende Nachqualifizierung für die Erwachsenen, die heute ohne Ausbildung im Erwerbsleben stehen.

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5 Kommentare

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  • T
    Thorben

    Alles nicht so schlimm. Denen zahlen wir Hartz IV oder was ähnliches und die Fachkräfte holen wir aus dem Ausland oder so ähnlich. Es lebe der Kapitalismus!

  • WB
    Wolfgang Banse

    Die Gesellschaft kann es sich nicht leisten über 2 Millionen Menschen ohne Berufsabschluss in sich zu haben.

    ERin Bildungs-und Berufsabschluss sind das A und O um im Berufsleben Fuss zu fassen und weiter zu kommen.

    Ein großes Potenzial liegt am Boden,obwohl Fachkräftemangel vorhanden ist.

    Schon seit Jahrzehnten findfet auf dem Ausbildungsmarktein verdrängungswettbewerb statt.Verlierer sind eindeutig Menschen mit einem Handicap,Sonder-und Hauptschüler.

    Bei Abiturienten besteht immer noch das Vorurteil,dass diese nach Beendigung xer betrieblichen Ausbildung den arbeitgeber Tschüss sagen und ein Studiumauf zu nehmen.

  • P
    PeterWolf

    Stimmt ja alles, aber wo ist die "Neuigkeit"?

    Fällt unter die Kategorie "Gebetsmühle", aber die wird fast ausschließlich von denen gelesen, die das eh schon wissen.

    Die, die es angeht, lesen es leider nicht.

    Wieviele Menschen, die weder lesen und schreiben können, noch der hiesigen Amtssprache mächtig sind, beschäftigt eigentlich die TAZ, und wenn überhaupt, mit welcher Tätigkeit?

     

    P.S. Es gibt natürlich Probleme, die lösen sich von alleine durch liegenlassen.

    Aber dieses definitiv nicht, genausowenig wie durch Ignorieren oder Leugnen.

  • W
    www

    das dänische Ausbildungssystem ist viel besser. Die Ausbildung dauert 4 Jahre und man erhält gewöhnlich auch Allgemeinbildung und Studienberechtigung. Wer keinen Betrieb gefunden hat, bleibt in der schulischen Ausbildung und erhält zusätzlich Praktika. Aber alle bekommen einen Ausbildungsplatz! Und wenn 15% ungelernt sind, dann sind eben 15% auch nie in Ausbildung gewesen. Auch stellt die Wirtschaft seit Ende der 1980er gar nicht genug Ausbildungsplätze zur Verfügung. Dänemark hat dafür eine Ausbildungsabgabe - diese ist zweckgebunden für Bildung und Ausbildung. Und da es keinen Meisterzwang mehr gibt, gehen in diesem Bereich auch Ausbildungsplätze verloren. In anderen Sektoren wird auch noch über Bedarf ständig ausgebildet. Die Friseurinnung wirbt damit, dass sie pro Hauptschüler 6000 Euro Subvention erhält --- wir bilden zu viel im Niedriglohnsektor aus.

     

    nur noch 22,5% der Betriebe in DE bilden aus inkl. ÖD, gewerbliche Wirtschaft sind es 11%. In den 1980er Jahren waren es noch ca. 36%

     

    das ist stetig gesunken - und kaum einer nimmt z.B. Mädchen mit Kopftuch oder sowas - die bleiben dann in DE entweder unausgebildet oder - sofern sie ne Studienberechtigung haben - können dann wenigstens an die Hochschule gehen, der das egal ist.

     

    das ist der Vorteil beim Studium: man wird teilweise selbst mit Vorstrafe etc. wenigstens noch ausgebildet unabhängig von einem Betrieb.

     

    ich finde die Berufsausbildungen vieler anderer Länder besser. Österreich hat auch - aufgrund der sinkenden Betriebe die ausbilden - eine schulische Alternative geschaffen für jene, die eben betrieblich keinen Platz bekommen.

     

    außerdem hat die EU schon 1985 DE aufgefordert, die Ausbildung ins Bildungssystem zu integrieren - aus diesem Grunde entstand in Frankreich das Bac Pro 1985, wo man eine Studienberechtigung zusammen mit der Ausbildung erhält. Auch die anderen Länder haben sich daran gehalten - aus diesem Grunde gibt es ja fast überall 2 Oberstufen: eine allgemeinbildende und eine beruflich-allgemeinbildende. Dänemark hat zwar auch eine duale Ausbildung - aber eben auch eine, die weiterqualifizierend ist.

     

    und dieser Experte sollte wissen, dass die Jugendarbeitslosigkeit in DE aus statistischen Gründen zu niedrig ausgewiesen ist -- die Azubis werden hier als Arbeitnehmer mit berüchsichtigt und anderswo nicht - ein statistisches Artefakt.

     

    hinzu kommt das Länder wie Frankreich seit 50 Jahren höhere Geburtenraten haben und einen entsprechend höheren Jugendquotient. Wenn man weniger Jugendliche hat, ist es auch leichter, diese in den Arbeitsmarkt zu integrieren.

     

    und der Pflegekraftmangel: meines Wissens wurden seit den 1990er Jahren auch Ausbildungsplätze abgebaut. Nicht jeder Interessierte bekam einen Platz.

  • D
    Detlev

    Nach dem SGB II sollen die Jobcenter auf eine fehlende Berufsausbildung reagieren, also im Zweifel eine Ausbildung finanzieren. Das tun sie aber meist nicht. Das tun sie fast nie bei Migranten, auch wenn die in ihrer Heimat noch Abitur hatten oder andere positive Voraussetzungen. Die Jobcenter machen es fast nie, weil sie die Leute zum einen nie daraufhinweisen, zum anderen weil sie die Finanzierung über 12 oder 24 Monate fürchten. Bei Leuten, die selber danach fragen, wird immer verneint. Es steht zwar im Gesetz noch irgendwie drinnen, aber praktisch leistet genau das Jobcenter seinen Beitrag zu Situation und damit auch zu niedrigen Entgelten, zum Aufstocken, weil viele 'Klienten' in ihrer Verzweifelung irgendwann alles machen, um zu arbeiten.

     

    Aber selbst im ALGI kann ein abgebrochener Student in aller Deutlichkeit auf seinen Status ohne Berufsausbildung hinweisen, trotzdem werden 90 Prozent der Berater ihn nicht darauf hinweisen, dass sie ihm einen Ausbildung finanzieren könnten und ihm in der Regel von alleine keinerlei Angebote in diese Richtung machen. Wer nachfragt, wird oft in Kurse geschoben, die genauso lange dauern, wie der Bezugsrahmen noch im ALGI für denjeningen ist, so dass nach dem Kurs dann ALGII kommt.

     

    Das Problem ist einfach: Die Arbeitsmarktpolitik setzt bislang auf billig und schnell oder eben nichts.

     

    Zwar gab es auch schlechte Erfahrungen bis 2005 mit einer durchs Arbeitsamt finanzierten Ausbildung, aber es gibt jahrzehntelange Erfahrungen in diesem Bereich, endlos Statistiken und Erhebungen.

     

    Jetzt könnte sich der Fokus ändern, denn nach Jahren fehlen in einigen Betrieben tatsächlich Jugendliche, andererseits war der Ausbildungsmarkt fast immer unausgeglichen, sprich es gab immer schlechter Branchen, die über Bedarf ausbildeten und gute Branchen, die eher unter dem Bedarf lagen. Viele Jugendliche absolvierten eine Lehre, die nicht zu einer Arbeitsaufnahme führen konnte.

     

    Erstaunlich ist, wie wenig in der Öffentlichkeit darüber diskutiert wurde. Wenn wirklich in den letzten Jahren kontinuierlich 15 Prozent der Jahrgänge immer ohne Ausbildung blieben, dann müssten drastische politische Konsequenzen gezogen werden. Dann müssten die Jobcenter sich mal um dieses Klientel kümmern. Ich vermute mal, dass die Jobcenter lieber ein Büro in Madrid aufmachen würden, um von dort ausgebildete Leute anzuwerben, als auch nur einen Jugendlichen oder Erwachsenen zu qualifizieren.