Arbeitslosigkeit: Einmal Hartz IV, immer Hartz IV
Viele Arbeitslose haben im wirtschaftlichen Aufschwung einen neuen Job gefunden. Doch für Langzeitbezieher von Hartz IV hat sich die Lage kaum verbessert.
BERLIN dpa | Trotz des wirtschaftlichen Aufschwungs und des Rückgangs der Arbeitslosigkeit in den vergangenen Jahren ist die Zahl der Langzeitbezieher von Hartz IV nur gering gesunken. Das zeigen nach einem Bericht der Süddeutschen Zeitung (Samstag) Daten der Bundesagentur für Arbeit (BA) in Nürnberg. So habe es Anfang 2009 knapp 3,27 Millionen Langzeitbezieher von Hartz IV gegeben, bis August 2012 sei die Zahl auf 3,03 Millionen gefallen. Damit ist rund jeder dritte der 4,33 Millionen erwerbsfähigen Empfänger von Hartz IV ein Dauerkunde der Jobcenter.
Wer von 24 Monaten mindestens 21 auf Hartz IV angewiesen war, gilt in der Nürnberger Behörde als Langzeitbezieher. Regional ist die Entwicklung bei diesen Langzeit-Hartz-IV-Empfängern laut BA-Statistik sehr unterschiedlich: In Ostdeutschland ist ihre Zahl deutlich stärker rückläufig als in Westdeutschland. In Bayern, Brandenburg oder Mecklenburg-Vorpommern sanken die Zahlen stark. In Bremen und in Nordrhein-Westfalen wurde diese Gruppe sogar größer, heißt es in dem Bericht.
BA-Vorstandsmitglied Heinrich Alt sagte der Süddeutschen Zeitung, der Rückgang von mehr als 200 000 seit 2009 zeige, dass sich etwas bewege. „Es gibt zugegebenermaßen einen hartnäckigen Sockel in der Arbeitslosigkeit, aber ich möchte nicht von einer Verfestigung sprechen.“ Man nähere sich jedoch in den Jobcentern „immer weiter dem harten Kern“. Es blieben diejenigen zurück, bei denen sich „eine Integration in Ausbildung oder Beschäftigung in naher, vielleicht auch in weiter Zukunft nicht abzeichnet“.
Nach einem Bericht der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung (Samstag) ist es für ältere Arbeitslose weiterhin erheblich schwerer als für andere, auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Arbeitslose über 55 Jahre seien viel häufiger lange Zeit ohne Job und hätten weitaus geringere Chancen auf eine neue Stelle als der Durchschnitt aller Arbeitslosen. Das gehe aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Grünen im Bundestag hervor.
Bei den Arbeitslosen im Alter von 55 bis 65 Jahren liege der Anteil der Langzeitarbeitslosen bei fast 46 Prozent, sagte die Grünen-Arbeitsmarktexpertin Brigitte Pothmer der Zeitung. Nehme man diejenigen hinzu, die zwar ohne Arbeit seien, aber nicht mehr in der offiziellen Statistik auftauchten, stelle sich die Lage noch dramatischer dar: 54 Prozent der Arbeitslosen über 55 Jahren seien dann länger als ein Jahr arbeitslos. Die absolute Zahl der älteren Langzeitarbeitslosen sei seit Antritt der schwarz-gelben Koalition 2009 laut offizieller Statistik um mehr als 25 000 auf 248 931 (plus 11,5 Prozent) gestiegen.
Leser*innenkommentare
Hady Khalil
Gast
Nächstenliebe für eine Sozialbehörde heißt zB.:
Rechtssicherheit und Offenlegungspflicht: Heute in der Berliner onlineZeitung: . Die Jobcenter in Brandenburg haben 2011 für ihre Verwaltung fast so viel ausgegeben wie für die Eingliederung von Arbeitslosen ... .93% des Betrages, den die Behörde für die Verwaltung ausgibt, wie für die Vermittlung.Ist das nicht unglaublich. Sind die Werte auf alle Länder übertragbar? Gibt es da Zahlen, oder sind manche geheim?Als Soziologe würde mich mal interessieren, ob die Planwirtschaft in der DDR bessere Effizienzwerte hatte. „Wir funktionieren jetzt, wie ein Konzern, da gibt es auch keine Menschenrechte“, sagte einmal eine genervte Mitarbeiterin der Beschwerdestelle, als sie mir den Raum mit bis an die Decke gefüllte Aktenstapel zeigte. Als Soziologe würde mich mal interessieren, ob Konzerne auch so eine Effiziente Verwaltung haben. Als Bürger und Wähler, hoffentlich ist bald September, würde mich auch mal interessieren, wieso eine Sozialbehörde mit geheimen, nicht öffentlichen Verwaltungsanordnungen regieren darf, oder anders gefragt: Warum gibt es keine OFFENLEGUNGSPFLICHT für alle Verwaltungsakte, die die Sozialbehörde betrifft, ?(Ich verstehe gar nicht, wieso das niemand auffällt, oder besonders auffällt, SOZIALBEHÖRDE GEHEIM??? nochmal SOZIALBEHÖRDE, HALLOOOO SOZIALBEHÖRDE, N IE, NI C H T GEHEIM (DIENST).NIX GUT SOZIALBEHÖRDE GEHEIM Hört mich jemand???
Warum ist das so teuer für eine staatliche Verwaltungsbehörde, so zu tun als ob man eine Konzernzentrale sei? Die Vorteile liegen auf der Hand. In einer Konzernzentrale sind die Strategien und Rezepte und Personalakten geschützt. Aber eine staatliche Sozialbehörde? Als Betroffener und als Bürger würde mich mal interessieren, was machen die eigentlich den ganzen Tag. Das klingt ja, als nehmen die jeden erfolgreich vermittelten in … Billigjob? … persönlich bei der Hand und beaufsichtigen ihn bei der Arbeit. Wahrscheinlich haben die alle ein Dienstfahrzeug und machen auch Hausbesuche Ja für mich bleibt da nicht viel Zeit. Das verstehe ich. Da lässt man mich mal 3 Monate auf einen Termin warten, wo es um meine Selbstständigkeit geht, um dann alles lässig abzulehnen. Ich verstehe. Übernimmt denn mal die Erste Vorsitzende der sozialen Betreuungsbehörde, um nicht zu sagen, der geheimen, feudalen Betreuungsbehörde, oder dessen oberster Verwalter Verantwortung für dieses Eklatante Versagen und der Regelungswut, wo jede Eigeninitiative totgeregelt wird. Am besten beide und deren Beraterstab.Vielleicht könnte man ja bei einer Restrukturierung das überflüssige Personal zu Zollfaahndern umschulen. Ich hab gehört, die werden bald gesucht.
Grundeinkommen
Gast
@Rainer B.:"Weg mit den Jobcentern! Weg mit Behördenwillkür! Schluß mit der weiteren Spaltung der Gesellschaft! Jetzt, Sofort!"
+1!
September 2013!
Ein Grundeinkommen ist übrigens auch BILLIGER, als dieser Hartz4-Mist! Die Frage "Wovon soll das denn bezahlt werden" stellt sich also nicht, und müsste stattdessen lauten: "Was machen wir mit all dem Geld, das übrig ist, wenn der sadistische, bürokratische Hartz4-Wasserkopf duch ein Grundeinkommen in Form einer negativen Einkommenssteuer ersetzt wurde?"
Im Übrigen schadet Hartz4 nicht nur den Opfern (im Fachjargon "Kunden" bzw "Leistungsempfänger"), sondern es schadet auch den Tätern! Ich hab gesehen, wie sich gesunde, optimistische Leute während ihrer Arbeit als Sachbearbeiter im Jobcenter zu sadistischen Zynikern entwickelt haben. Andere zu ausgebrannten, willenlosen Vollstreckern. Hartz4 macht auch die Täter krank!
Albano
Gast
Diese Zahlen belegen es doch, Herr Alt!
Ich verstehe diesen Mann nicht: Er benutzt hier ein Wort, das dem anderen gleicht - wo ist der Unterschied?
Die Leute bleiben in diesem Hartz-System hängen, weil es nicht genügend Arbeitsplätze in Deutschland gibt, wie wäre es denn damit?
Und dann ist Hartz-IV einfach nur ein mieses Spiel mit Zufallsgenerator, aber halt, natürlich, für die Reichen, für die gilt dies nicht, die kommen hier nicht vor, dafür der Rest also irgendwo zwischen 80 und 90 Prozent der Bundesbürger wird vom Staat in Armut per Gesetz geschickt. Und einen Ausgang gibt's nicht, jedenfalls nicht für die Mehrheit, denn 1,4 Mio. stocken ja ihr nächstes Gehalt wiedr auf.
Rainer B.
Gast
Die Hartz IV Langzeitbezieher sind wohl die letzten klassischen Arbeitgeber hier in Deutschland. Ohne sie würde die BA wie ein Schluck Wasser in der Kurve hängen. Wären sie wirklich so unqualifiziert, wie man sie gern darstellt, könnten sie die Anträge garnicht ausfüllen, die mindestens mittlere Reife erfordern. Sie sitzen nur auf der anderen Seite des Tisches und werden schlechter bezahlt als ihr Gegenüber.
Weg mit den Jobcentern! Weg mit Behördenwillkür! Schluß mit der weiteren Spaltung der Gesellschaft!
Jetzt, Sofort!
Gezielte Propagandaaktion
Gast
Gerade, wenn man online Zeitung liest, wird besonders deutlich, wie brav fast alle Zeitungen gleichzeitig den Propagandamist der BA übernehmen.
Das fängt immer mit einer ominösen "Meldung" der Süddeutschen Zeitung an. Hat mal jemand versucht den Autor dieser "Meldung" für ein Interview vor's Mikrofon zu bekommen? Ha! Diese Typen arbeiten konspirativer, als die INSM oder der BND...
Arne
Gast
54 % der Arbeitslosen über 55 sind langzeitarbeitslos.
Das sind die Menschen, die vor den rotgrünen Hartz-Reformen 30 Jahre lang ungefähr Beiträge in die Arbeitslosen- und Rentenversicherung eingezahlt haben und heute mit einem Armutssatz abgespeist werden, weil sie dumm genug waren, CDOCSUFDPSPDGRÜNE zu glauben, dass die Renten z.B. sicher seien und deshalb keine Vorsorge trafen.
Und das größte Problem, dass man heute in der öffentlichen Meinung sieht, ist nicht etwa über eine Pflichtquote in Unternehmen (oder wenigstens im Öffentlichen Dienst) für diese Altersgruppe als normale Arbeitnehmer, sondern ob unter den Spitzenverdienern in Aufsichtsräten genug Frauen sind.
Lehrer Lämpel
Gast
Niemand hat ernsthaft erwartet, dass die deutsche Wirtschaft ohne einen festen Sockel von Hartz IV-Empfängern auskommt. Schließlich ist mit der Agenda 2010 der Niedriglohnsektor als fester Bestandteil des Arbeitslebens eingeführt worden. Die permanente Drohung in das Hartz IV-Vegetieren abzustürzen, lässt den deutschen Duckmäuser himmelschreiende Ungerechtigkeit über sich ergehen und gibt ihm das Gefühl noch auf jemand unter ihm herumtrampeln zu dürfen.
Hin und wieder liest man Beiträge von württembergischen Ökotrinen, die wegen des guten Weines und des eklatanten Facharbeitermangels den Hartz IV-Beziehern empfehlen, doch nach Süddeutschland umzuziehen. In ihrer Zwiebelkuchenseligkeit übersehen sie allerdings, dass Umzüge nicht mehr von den Argen finanziert werden. Schon vor vier Jahren gab es lediglich 400 Euro Zuschuss für einen Umzug in einen Ort, der über 300 km entfernt war. Wenn also dort nicht jemand eine gut bezahlte Position erhält, wie soll es ihm möglich sein, den Umzug für eine gesamte Familie zu realisieren?
Es lohnt sich nämlich durchaus einmal in den Sumpf der ARGEN hinabzusteigen. Seit Inkraftreten der Agenda 2010 sind ständig "Förderleistungen" zurückgeschraubt worden. Dagegen wurden die Daumenschrauben des Forderns ständig angezogen. Den Sockel hat man schon seit langem als Klotz am Bein. Die ARGEN und die Bundesarbeitsagentur warten sehnsüchtig auf einen Liberalen, der als Förderprogramm "Einschläferungsprämien" anbietet. Man könnte dabei sogar über die Wiedereinführung von Sterbegeld diskutieren. So ließen sich nämlich viele soziale Probleme unbürokratisch und mit "Eigenverantwortung" lösen.
Detlev
Gast
„Es gibt zugegebenermaßen einen hartnäckigen Sockel in der Arbeitslosigkeit, aber ich möchte nicht von einer Verfestigung sprechen.“
Ja, Heinrich Alt möchte mal wieder seine Karriere beschützen, denn Hartz-IV sollte zu einer Intensivierung der Vermittlung, sprich schneller rein und raus in den Hartz-Bezug, führen. Wenn sich bei Hartz-IV ein 'hartnäckiger Sockel' an Arbeitslosen herausbildet, dann entspricht Hartz-IV nicht den Anforderungen, aber das steht hier nicht.
Stattdessen nervt Alt mit sprachlicher Feinklauberei - vor Kurzem wollte sein Chef Weise mal wieder in die Politik einsteigen, schlug eine wesentliche Änderung bei Hartz-IV an der zuständigen Ministerin und dem Bundestag vor.
Warum verbleiben so viele Arbeitslose in Boom-Zeiten in der Arbeitslosigkeit? Wenn man doch schon 2005 eine Reform in Kraft hat treten lassen, die genau diese Verfestigung verhindern sollte? Die Leute verarmen dabei auch, jedenfalls legen das viele Statistiken so nahe.
Die Antworten bleiben alle mal wieder schuldig. Das Alter alleine kann wohl kaum als Antwort taugen, denn auch junge Menschen verfestigen sich in Hartz-IV. Aber von denen ist auch nicht die Rede hier.
BA ist stolz auf ihr Armutszeugnis
Gast
"Harter Kern"
"Es blieben diejenigen zurück, bei denen sich „eine Integration in Ausbildung oder Beschäftigung in naher, vielleicht auch in weiter Zukunft nicht abzeichnet“"
... schon hochvirtuos, wie die Propagandabteilung der BA es mal wieder schafft, ihre eigene erbärmliche Leistungsbilanz so darzustellen, dass mal wieder die Armutsbetroffenen selber schuld sind.
Ich habe es selber erlebt: wer einmal in den Fängen des Hartz4-Unrechtssystems hängt, wird so dermaßen zugeschossen mit Bürokratie-Schikanen, Verleumndungen und dummen Verdächtigungen, dass es extrem schwer ist, davon wieder weg zu kommen. Man muss z.B. alle drei Monate einen "Weiterbewilligungsantrag" stellen, der in Umfang, Komplexität und Folgenschwehre einer Steuererklährung in nichts nachsteht. Plus die Steuererklärung! Macht dann also im Jahr 5 schwergewichtige, hochkomplizierte Anträge. Und dazwischen dann in regelmäßigen Abständen immer wieder geziehlte verleumnderische Interventionen der BA, gegen die man sich natürlich auch juristisch und bürokratisch korrekt wehren muss.
Im Endeffekt ist es wirklich leichter, eine prekäre finanzielle Kriese alleine, ohne die "Hilfe" der BA durch zu stehen! (Ich weiß es, ich hab's so gemacht.)
Aber genau das ist ja ihre versteckte Agenda: die schwarz-rot-gelben Fundamentalkapitalisten nennen es "Eigenverantwortung". Genausogut könnte man aber auch Entsolidarisierung der Gesellschaft sagen. Und der deutsche Michel hat überhaupt kein Problem damit, einem Unternehmen mit einer derart schlechten Leistungsbilanz jährlich 140 Milliarden Euro in den Rachen zu schieben. (Etat des Arbeitsministeriums)
Weinberg
Gast
Über diese ewige Hartz-IV-Nörgelei werden SPD-Schröder, Gasableser von Putins Gnaden, und sein Kompagnon Steinbrück nicht erfreut sein!
Auch die grüne Mittäterin (und neue grüne Ikone) aus dem Freistaat Thüringen wird es ebenfalls nicht freuen, dass ihr Einsatz für Hartz IV (aus echter christlicher Nächstenliebe???) nicht von jedermann honoriert wird.