Arbeitslose zweiter Klasse

Zwar finden im Norden wieder mehr Menschen Arbeit. Doch gleichzeitig werden immer mehr vom Arbeitsmarkt abgekoppelt. Hamburg schafft die meisten Jobs – und hat den größten Zuwachs bei den Langzeitarbeitslosen

Es war der Tag der frohen Botschaften: Bei der Präsentation der aktuellen Arbeitsmarktzahlen überboten sich Arbeitsagenturen und Landesregierungen gestern geradezu mit Erfolgsmeldungen. In Hamburg betonte der zuständige Wirtschaftssenator Gunnar Uldall (CDU), die Hansestadt bleibe bundesweit „Spitzenreiter bei der Schaffung neuer Arbeitsplätze“, während sein Kieler Amtskollege Uwe Döring (SPD) auf „den sehr starken Rückgang der Jugendarbeitslosigkeit“ in Schleswig-Holstein hinwies. Auch aus Hannover, Schwerin und Bremen waren vergleichbare Botschaften zu vernehmen.

Der Grund für die Jubelarien überall im Norden: In allen Bundesländern und Stadtstaaten ging die Zahl der Arbeitslosen im September zurück. Auch die Anzahl der jugendlichen Erwerbslosen nahm vielerorts spürbar ab. So sank in Niedersachsen die Zahl der Erwerbslosen im Vergleich zum Vormonat um fast 17.900, in Schleswig-Holstein immerhin um 5.400 – stärker als zu irgendeinem anderen Zeitpunkt in den vergangenen sechs Jahren. In Hamburg stieg die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im Vergleich zum Vorjahr um 11.600 und Mecklenburg-Vorpommern wie auch Bremen vermeldeten immerhin die niedrigste Arbeitslosenquote des laufenden Jahres.

Wasser in den Wein gießt allerdings Frank Oskamp vom Kieler Institut für Weltwirtschaft: Der saisonbereinigte Rückgang der Arbeitslosenzahl falle „deutlich geringer“ aus. Zwar habe die „anziehende Konjunktur nun auch auf den Arbeitsmarkt eine Trendwende bewirkt“, so Oskamp zur taz, die Zahl der Langzeitarbeitslosen aber steige weiter an. „Immer mehr Menschen sind immer stärker vom Arbeitsmarkt abgekoppelt“, sagt er.

In die gleiche Kerbe schlagen die Gewerkschaften. So weist der DGB-Nord-Vorsitzende Peter Deutschland darauf hin, dass nur in Mecklenburg-Vorpommern die Zahl der Langzeitarbeitslosen gesunken sei. Das aber liege auch daran, „dass viele Menschen abgewandert“ seien. In Hamburg hingegen sei die Zahl der Langzeitarbeitslosen seit dem Vorjahr in die Höhe geschnellt: um rekordverdächtige 36,2 Prozent.

„Wenn es zu Einstellungen kommt, haben die eine Chance, die durch kurze Arbeitslosigkeit weniger Humankapital verloren haben“, drückt Oskamp diese Tendenz wissenschaftlich aus. Für den Rest der zweigeteilten Masse der Joblosen gebe es trotz Wirtschaftswachstum „kaum noch Perspektiven am Ersten Arbeitsmarkt“. MARCO CARINI

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