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Arbeitsbedingungen in KobaltminenKongos blaues Wunder

Eine moderne Batterie braucht Kobalt. Im Kongo wird die Hälfte der weltweit verarbeiteten Menge gefördert – oft unter unmenschlichen Bedingungen.

Alle, auch die Kinder, handhaben das Erz ohne Schutz: Arbeiter in einer Mine im Kongo. Foto: reuters

Berlin taz | Kobalt ist eine wenig bekannte Zutat der globalisierten Moderne. Ohne Kobalt-Lithium-Dioxide gibt es keine wiederaufladbaren Batterien und Akkus; die gesamte moderne Elektronik hängt davon ab.

Die Hälfte des geförderten Kobalts der Welt kommt aus der Demokratischen Republik Kongo, dem ärmsten Land der Welt. Die Kobaltminen liegen nicht in einem Konfliktgebiet, sondern im Kerngebiet der kongolesischen Regierung, in Kongos Südregion Katanga. Damit ist die Regierung dafür verantwortlich, wie der Rohstoff gewonnen wird.

„Hierfür sterben wir“, heißt ein neuer Bericht der Menschenrechtsorganisation Amnesty International, der erstmals in diesem Ausmaß die Förderbedingungen von Kobalt in Katanga und die Lieferkette nach China nachvollzieht. Ein Beispiel: Kasulo, ein Stadtteil der Bergbaustadt Kolwezi. Hier graben die Menschen in den eigenen Gärten und unter den eigenen Häusern, so mineralienreich ist der Boden.

Die Löcher und Tunnel sind lebensgefährlich. Männer schaufeln das kobalthaltige Erz, Kinder sortieren es, Frauen waschen es im nahen Stausee. Dabei kommt es zu tödlichen Unfällen. Alle, auch die Kinder, handhaben das Erz ohne Schutz, was Lungen- und Hautkrankheiten auslösen kann.

Chinesische Mittelsmänner

Das meiste Kobalt des Kongo kommt aus Industrieminen, in denen Kobalterz als Beiprodukt von Kupfererz vorkommt. Die Gesamtförderung ist seit 2012 wegen des Preisverfalls um ein Drittel auf rund 65.000 Tonnen pro Jahr gesunken. Mehr als ein Drittel stammt aus der informellen Kleinförderung außerhalb der Minen. Chinesische Mittelsmänner kaufen hier gerne ein, weil es sie weniger kostet. Der wichtigste Umschlagplatz ist der vom Staat eingerichtete Markt in Musompo, 15 Kilometer außerhalb von Kolwezi.

Kein Erztransport kann in Kolwezi bewegt werden oder die Stadt verlassen, ohne dass die Behörden es wissen. Die Stadt mit einer halben Million Einwohner ist voller Polizei, Minenpolizei und Präsidialgarde; sie versperren Fremden den Weg und knöpfen Einheimischen Gebühren ab.

Am Ende bleibt umgerechnet pro Person ein Euro pro Tag

Laut der Menschenrechtsorganisation Amnesty International stehen am Stausee Beamte der Kleinbergbaubehörde, die den Frauen, die pro Tag bis zu zwölf 50-Kilo-Säcke Erz behandelt und an Zwischenhändler weitergegeben haben, ein Drittel ihrer Einnahmen abknöpfen. Am Ende bleibt ihnen umgerechnet pro Person ein Euro pro Tag.

Andere Einkommensquellen gibt es für die Leute hier nicht. Kolwezi ist wie alle Bergbausiedlungen Katangas ein Kunstprodukt der belgischen Kolonialzeit in den 1930er Jahren, als aus halb Afrika Männer in den „Copper Belt“ von Katanga und Sambia gekarrt wurden. Als ab den 1980er Jahren der Staat im damals Zaire genannten Kongo zerfiel und die staatlichen Bergbaufirmen pleitegingen, gruben die Bergleute auf eigene Rechnung weiter: Der gesamte Boden ist Bodenschatz.

„Heterogenit“ nennen die Bergleute den Sand mit den bunten Einschlägen, den sie aus dem Boden holen, weil er so viele Substanzen enthält – Kupfererz, Kobalterz, zuweilen auch Uranerz und noch seltenere Mineralien. Die Menschen in Kasulo wurden einst aus einem anderen Gebiet umgesiedelt, als dort eine neue Industriemine eröffnete. Seit 2014 graben sie nun hier. Dass die Behörden das offiziell verboten haben, lockt nur noch mehr Siedler an: Offensichtlich gibt es etwas zu holen. Und die unterbezahlten Staatsbediensteten wollen mitverdienen.

Größter Abnehmer der blauen Kobalterze aus Musompo ist die Firma Congo Dongfan International Mining (CDM), eine Tochterfirma der chinesischen Huayou Cobalt, eines der größten Kobaltverarbeiter der Welt: Huayous Kunden stellen Batterien und Akkus für alle international bekannten Handy-, Smartphone- und Computerhersteller her, von Apple über Dell, Lenovo und LG bis Samsung, sowie für VW und Daimler. Huayou ist der drittgrößte Teilhaber an Chinas staatlichem Afrikafonds. Die Firma spendete 2011 auch für den Wahlkampf des kongolesischen Präsidenten Joseph Kabila.

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