piwik no script img

Arbeitsbedingungen angeprangertKritischer Flyer empört Aldi

Der Discounter Aldi droht der Christlichen Initiative Romero wegen eines gefakten Prospekts. Anlass war der "Internationalen Tag der menschenwürdigen Arbeit" am Donnerstag.

"Zu Hungerlöhnen und ohne Sozialabgaben geerntet": Das behauptet zumindest ein gefakter Prospekt über Aldis Galia-Melonen aus Honduras. Bild: dpa

Unter der Überschrift "Aldi informiert" prangt ein Sternchen mit dem Satz "Internationaler Tag für menschenwürdige Arbeit". Unter der Jeans zu 9,99* statt 9,99 € ist die Zeile zu lesen: "wurde auf Kosten der ArbeiterInnen billig produziert". Und die Galia-Melonen aus Honduras wurden "zu Hungerlöhnen und ohne Sozialabgaben geerntet". Eine typische Aldi-Werbung? "Mitnichten, denn welch ein Konzern rühmt sich schon damit, Waren aus Weltmarktfabriken zu beziehen, wo den Frauen und Männern am Band die Arbeitsrechte vorenthalten und Hungerlöhne gezahlt werden?", fragt Michael Günther. Der Hamburger Anwalt vertritt die Interessen der Christlichen Initiative Romero (CIR), die das Flugblatt verfasst hat. "Wir wollen damit auf die menschenrechtlich und arbeitsrechtlich bedenklichen Aspekte der von Aldi angebotenen Billigangebote aufmerksam machen", erklärt André Hagel von CIR.

Das ist gelungen. Aldi-Nord hat seine Anwälte in Marsch gesetzt und bereits letzte Woche eine Abmahnung inklusive einer Unterlassungserklärung an die auch im Impressum des Werbeflyers genannte Organisation verschickt. Einschüchtern vom Druck der Anwälte will man sich bei CIR aber nicht lassen. "Wir sehen in dem Vorgehen Aldis den Versuch, jegliche Kritik am Geschäftsgebaren des Unternehmens zu ersticken", kritisiert CIR-Geschäftsführer Thomas Krämer-Broscheit. "Wir sollen mit juristischen Scheinargumenten mundtot gemacht werden." So versuche man die Kehrseite der Aldi-Billigpreise, die desaströsen Arbeitsbedingungen in den Produktionsländern, nicht öffentlich zu machen.

Von einer Vielzahl von unzutreffenden und rechtswidrigen Behauptungen, von Verbrauchertäuschung zur Verfolgung eigener Ziele und von der Verletzung von Markenrechten war im ersten Schreiben der Anwälte von Aldi-Nord die Rede. Vorwürfe, die aus Sicht von CIR-Anwalt Michael Günther nicht haltbar sind: "Das Firmenlogo wurde verfremdet, ein korrektes Impressum angegeben, und der zentrale Vorwurf der Verbrauchertäuschung zur Verfolgung eigener Ziele ist nicht nachvollziehbar, denn meine Mandanten verfolgen keine eigenen ökonomischen Ziele. Sie sind keine Konkurrenten des Discounters." So hätte CIR genau recherchiert, woher Aldi seine Produkte bezieht, und die Texte auf dem Flyer entsprechend verfasst. "Fehler sind wir bereit zu korrigieren und direkte Gesprächen mit Aldi würden wir begrüßen", erklärt Krämer-Broscheit.

Das Flugblatt soll allerdings weiter verteilt werden, denn mittlerweile ist die von Aldi-Nord beauftragte Kanzlei von den ursprünglichen Vorwürfen abgerückt. Von inhaltlichen Fehlern bei Arbeits- und Sozialrechten ist nicht mehr die Rede. "Nun geht es um Details, ob dieses oder jenes Produkt bei Aldi-Nord oder Aldi-Süd angeboten wurde", erklärt Krämer-Broscheit.

Auch von der Klage will Aldi-Nord absehen, so ist in einem Fax an die tageszeitung zu lesen. Man sei an einer Versachlichung der Auseinandersetzung interessiert, heißt es da. Doch im letzten Anschreiben der Anwälte an die CIR klingt das ganz anders. "Da ist von der Geltendmachung aller Rechte unserer Mandantin die Rede, sollte es in den kommenden Tagen zu einer Verletzung von Rechtspositionen kommen", so André Hagel. Die Verteilung des Flyers sei in dieser Lesart jedoch bereits eine Verletzung besagter Rechtsposition.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

16 Kommentare

 / 
  • U
    UNI

    SUPER - Hungerlöhne werde aber auch in der BRD gezahlt! ALDI sollte aber nicht alleine an den Pranger gestellt werden - es muss ein neues Bewusstsein in die Menschheit eindringen!

  • FC
    Frederic Chaudair

    Glaubt denn jemand allen Ernstes, man könne 12 Milliarden Euro Privatvermögen anhäufen, in dem man Mitarbeiter, Lieferanten und deren Mitarbeiter fair behandelt?

  • M
    morcan

    es geht nicht darum ob in bangladesh produziert wird oder nicht alle machen das inzwischen es geht um die bezahlung und arbeitsbedingungen und die sollten den gleichen standard haben wie in deutschland also menschenwürdig . die leute müssen von ihrer 14 std. arbeit auch leben können und nicht auch noch die kinder zur arbeit schicken müssen dafür aber müssen die arbeiter sich zusammentun und dafür kämpfen wenn aldi höhere preise an die produzenten zahlt stecken sich die das plus in die taschen die arbeiter alles eine frage von nachfrage und angebot

  • A
    antikommuna

    Diejenige, die ihre Krokodiltraenen wegen abgeblich ausbebeuteten Drittweltarbeiter vergiessen, sind von deutschen Gewerkschafter bezahlt, um die verhasste Billigkonkurrenz auszuschalten. Das sollten alle Sozialromantikdeppen endlich verstehen. Wollen sie, dass die Aldi-Kunden das doppelte bezahlen (fuer deutschen krankfeierten Arbeitern) und die Bangladeshi oder Vietnamesen verhungerh? Wo ist Eure Klassensolidaritaet, Genossen???

  • W
    wisdom

    @EnzoAduro

     

    Nur weil sie keine Textilhersteller kennen, die unter sozial- und ökologischen Richtlinien produzieren, heisst das nicht, dass es sie nicht gibt.

    Und ja, es wäre für Discounter wie Aldi ein Leichtes für gerechte Löhne bei seinen Zulieferern zu sorgen.

     

    Das sie hier das niedrige Preisniveau von Aldi loben zeigt nur, dass sie das Problem noch garnicht verstanden haben. Aldi bringt die Discounterketten mit seinem gnadenlos niedrigen Einkaufsprinzipien dazu bei Preissenkungen mitzuziehen. Aber sie werden es nicht glaubrn, all die schönen Dingen im Discounter werden von Menschen erarbeitet und diese müssen von ihrer Bezahlung auch Leben können.

     

    Die Geiz ost Geil Mentalität richtet weltweit irrsinnige Schäden an. Zur Information sei Ihnen z.B. die Seite von im Artikel erwähnter Christlichen Initiative Romero e. V. zu empfehlen:

     

    www.ci-romero.de

  • A
    Amos

    Immer weniger Menschen können sich teure Sachen leisten

    und sind froh, dass sie nicht zerlumpt herumlaufen müssen. Wenn solche Sachen zu solch niedrigen Preisen verkauft werden "müssen", so liegt das am System-, nicht an Aldi. Würden die Menschen anständig bezahlt, könnten sie sich auch teurere Klamotten leisten. Und wenn ich schon christliche Initiative lese, wird mir schlecht. Die CDU hat auch in ihrem Logo das "C", aber sie ist nicht mehr christlich, sondern gehört zu den Pharisäern, die Wasser predigen, aber Wein trinken.

  • IU
    ich und ich

    Klasse Aktion. Mehr!

  • P
    Peter

    Das ist typisch für Aldi, Lidl & Co. - lieber teure Anwälte bezahlen oder Fernsehreklame machen, um das Image aufzupolieren, als auf Kritik anzunehmen und das eigene Geschäftsmodell, das ja nur auf Ausbeutung udn Umweltzerstörung basiert, zu hinterfragen. Niemand sollte bei diesen Billigläden einkaufen (sofern er nicht aus finanziellen Gründen dazu gezwungen ist)! Ich meide die Discounter schon seit Jahren, obwohl ich nicht gerade zu den Besserverdienern gehöre - abereinen Einkauf bei Aldi & Co. kann ich nicht mit meinem Gewissen vereinbaren, zudem ist da vieles auch einfach Mist.

  • JM
    J. Menath

    wie steht es mit dem Konsumverhalten der Deutschen ?

    Irgendwie scheint es uns in den Genen geschrieben zu sein, so wenig wie möglich für Lebensmittel und etc. auszugeben. Die Konzerne bedienen uns nur entsprechend.

  • M
    Micha

    Wieso immer gegen Aldi? Kommt man dann schneller in die Presse? Markenwaren werden häufig unter gleichen Bedingungen hergestellt und dann aber mit erheblich höheren Gewinnspannen verkauft. Als PR-Gag haben einige Hersteller dann noch Standards gegen Kinderarbeit festgelegt, die natürlich nicht die ganze Produktionskette umfassen.

    Fazit: Auch die Marken- oder Edel-Jeans für 90 € - 250 € kostet in der Herstellung 3 €.

  • AN
    A. Nonym

    Hab den Flyer gesehen: echt gute Arbeit! Da haben eindeutig Profis an Texten und Layout gesessen. Daumen hoch, weiter so & beste Wünsche!

  • H
    HenryMiller

    Adbusting at it's finest! Man müsste die nur im großem Stil unter die Leute bringen.

  • R
    reblek

    Unter der Überschrift "Aldi informiert"... - Das ist falsch. Auf dem Flyer steht "ALDI", allerdings mit einem spiegelverkehrten "D", das die taz eigentlich hätte hinkriegen müssen.

  • KK
    Kai Kesper

    Das "Aldi Prospekt" gibt es hier zum download:

    http://www.ci-romero.de/fileadmin/images/ccc/ALDI-Prospektpersiflage.pdf'>http://www.ci-romero.de/fileadmin/images/ccc/ALDI-Prospektpersiflage.pdf

     

    Die Seite der Christlichen Initiative Romero e. V.

     

    http://www.ci-romero.de

  • E
    EnzoAduro

    Im Gegensatz zu seiner Konkurrenz sind die Arbeitsbedingungen bei Aldi blendend. Die Kritik daher an Aldi zu adressieren ist schon etwas lächerlich. Nicht vergessen sollten wir das es speziell Aldi ist warum wir in Deutschland ein so geringen Preisniveau haben, wenn man es mit Frankreich, Italien, Österreich, Schweiz, Niederlanden etc. etc. vergleicht. Und deren Firmen zahlen im Einkauf auch nicht mehr.

     

    Und was wäre eigentlich in Bangladesch erst los wenn wir in Deutschland noch unsere Kleidung herstellen würden?

    Die Welt ist zu Komplex um die Schuld so einfach festzustellen.

    Wenn die in Bangladesch faire löhne bekämen, dann wäre Kleidung auch nicht mehr so spottbillig, dann wäre es wie früher selbstverständlich dass jüngere Geschwister die Kleidung der älteren auftragen etc. Denn im Gegensatz zu anderen Branchen gab es in der Textilindustrie KEINEN technischen Fortschritt. Hosen werden genäht wie in den 50ern.

    Bangladesch hat weder ein qualifiziertes Volk, noch Rohstoffe, noch Ackerland. Sie brauchen also diese low-tech Textilindustrie um Lebensmittel zu importieren. Vielleicht sollte man das auch mal ansprechen. Und das Bevölkerungswachstum, das müssen die drosseln.

    Aber einfach auf den Discountern rumzuhacken ist etwas billig.

    Denn auch teurere Kleidung wird nicht humaner hergestellt - nur die Gewinnmarge ist größer. Und ob das besser ist?

  • GM
    Gosig Mus