zahl der woche : Arbeitnehmer mit 50 Jahren aufs Abstellgleis – alles Takko, oder was?
„Mit 66 Jahren, da fängt das Leben an“, sang Udo Jürgens schon 1978. 26 Jahre später ist das Leben im Alter von 66 Jahren schon seit 16 Jahren zu Ende. Jedenfalls das Berufsleben. Zumindest bei der Billigmodekette Takko. Dort planten Manager, Mitarbeiter ab 50 systematisch aus dem Unternehmen zu drängen. In einem Protokoll der Regionalleitersitzung, das der taz vorliegt, heißt es: „Weitere Einsparungsmaßnahmen sind durchzuführen (…) . Mitarbeiter über 50 Jahre sind im Laufe der nächsten drei Monate auf Entwicklung und Optik zu überprüfen.“
Wer dieser Überprüfung nicht standhält, sei „nach Abwägung“ zu kündigen. „Ü 50“-Mitarbeiter dürften nur mit Zustimmung der Bezirksleiter neu eingestellt werden. „Kündigungsgrund für alle ausgesprochenen Kündigungen ist ab sofort ‚betriebliche Gründe‘“, so das Papier der „Geschäftsleitung Verkauf“ vom 24. November 2003 – „17 Jahr, blondes Haar“ statt oller Oldies eben.
Inzwischen rudert die Firmenleitung zurück: Gerwin Eck, Geschäftsführer der Takko Holding GmbH, leugnet zwar nicht die Existenz des Papiers. Er habe den Vorschlägen seiner Regionalleiter aber längst widersprochen: „Ich habe von dem Papier erst durch die Presse erfahren. Die Vorschläge sind keine Unternehmenspolitik.“ In solchen Regionalleitersitzungen würden zum Teil „wilde und ungerechte Ideen“ vorgebracht, von denen aber nicht alle umgesetzt würden, so Eck zur taz. Bei Entlassungen sei das Alter aber kein Kriterium, sondern vielmehr „die Leistungsbereitschaft und das Interesse an Modetrends“.
Nach eigenen Angaben hat der Modemarkt in seinen Filialen knapp 7.500 Mitarbeiter, davon 67 Festangestellte und 766 Aushilfskräfte über 50. Das entspricht einer Über-50-Quote von 9,2 Prozent. Trotz des Eck-Dementis steht das Unternehmen aber zu seiner Strategie, grundsätzlich Menschen im Alter seiner Kundenzielgruppe zu beschäftigen. Das Sortiment richtet sich in erster Linie an 20- bis 45-Jährige.
Für Jörg Verstegen, Sprecher der Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di Nordrhein-Westfalen, passt der Verjüngungsvorschlag der Takko-Regionalleiter ins Bild: „Takko hat immer wieder Probleme mit den Rechten von Arbeitnehmern.“ Im Jahr 2002 sei etwa die Einführung eines Betriebsrates am Widerstand der Unternehmensführung gescheitert. „Die Takko-Vorschläge sind grausig und konterkarieren unsere Bemühungen, ältere Arbeitnehmer wieder in Anstellungen zu bringen“, so Verstegen.
Das jüngste Takko-Papier bestätigt den Verjüngungswahn der deutschen Wirtschaft. Schon 2001 hatte das Nürnberger Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung festgestellt, dass mehr als die Hälfte aller deutschen Betriebe keine Arbeitnehmer über 50 Jahre beschäftigt. Im Dienstleistungssektor sind es sogar 61 Prozent. MICHAEL SITTIG