Arbeitgeber-Vize über Stipendien: "Wir spüren den Fachkräftemangel schon"
Der OECD-Bildungsbericht bescheinigt Defizite. Die Organisation fordert mehr Stipendien von der Wirtschaft. Doch einen zentralen Stipendientopf lehnt sie ab, sagt Arbeitgeber-Vize Gerhard Braun.
taz: Herr Braun, beim Anteil der Hochschulabsolventen hinkt Deutschland hinterher. Macht Ihnen das Sorgen?
Gerhard Braun: Die Zahlen überraschen uns nicht, sind jedoch alarmierend: Die Wirtschaft bekommt den Fachkräftemangel bereits deutlich zu spüren.
Müsste die Wirtschaft dann nicht mehr Stipendien vergeben? Immerhin war die Einführung der Studiengebühren mit diesem Versprechen verbunden.
Die Wirtschaft leistet schon jetzt einen erheblichen Beitrag für die Hochschulen, zum Beispiel mit Spenden und Sponsoring. Auch Stiftungslehrstühle verbessern das Lehrangebot. Es gab allein in den letzten Jahren mehrere Großspenden im dreistelligen Millionenbereich. Spenden in dieser Größenordnung hätte man sicher vor zehn Jahren nicht für möglich gehalten.
Ein Stipendium aus der Wirtschaft bekommt aber gerade einmal ein Prozent der Studenten.
Stipendien stellen für Unternehmen und Verbände ein Instrument der frühzeitigen Talentförderung und Talentbindung dar. Gerade aus diesem Grund ist es nicht damit getan, einen zentralen Stipendientopf einzurichten, in den anonym eingezahlt wird. Grundsätzlich sollte ein Stipendienwesen dezentral aufgebaut werden.
Damit sich jeder herausreden kann?
Auf dezentraler Ebene bestehen bereits zahlreiche Kooperationen zwischen Hochschulen und Unternehmen, was die Zusammenarbeit auch bei Stipendienprogrammen deutlich erleichtern dürfte. Stipendiengelder müssen aktiv eingeworben werden. Dies ist grundsätzlich Aufgabe der Hochschulen.
Also tun die Unis zu wenig?
An einigen Hochschulen sehen wir erste Erfolge bei der Einwerbung von Stipendien, aber das Engagement könnte größer sein. Die Hochschulen dürfen sich nicht zurücklehnen und warten, dass die Gelder kommen.
INTERVIEW: BERND KRAMER
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