Arbeiten für lau: Praktikum beim Senat ist wertlos
Praktikanten in der Senatskanzlei verdienen nichts. Ein SPD-Abgeordneter spricht von "Ausbeutung". Die Koalitionsfraktionen fordern jetzt Mindeststandards.
Auf den Plakaten zur Europawahl fordern sowohl SPD als auch Linkspartei eine angemessene Bezahlung für Arbeitnehmer. Die Linke will den "Mindestlohn europaweit", die SPD meint: "Dumpinglöhne würden CDU wählen." Doch Praktikanten in der Verwaltung erhalten oft gar kein Geld - selbst bei Praktika, die ein halbes Jahr dauern. Die Fraktionen von SPD und Linken wollen jetzt Mindeststandards und eine "angemessene Vergütung". Der Senat verteidigt die Nichtbezahlung der Praktikanten.
Die Senatskanzlei des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit (SPD) offeriert im Internet derzeit unter anderem ein Praktikum im Presseamt. Dauer: "Mindestens drei bis sechs Monate". Erwartet werden unter anderem Erfahrungen bei Printmedien, sehr gute Deutschkenntnisse in Wort und Schrift, ein abgeschlossenes Grundstudium, gute Kenntnisse der Berliner Medien und die "Bereitschaft zum Wechselschichtdienst". Der Praktikant soll Wowereit bei Terminen begleiten, an Pressekonferenzen teilnehmen und Pressetexte schreiben. Bezahlung: "keine".
45 Praktikanten (davon acht Schüler) arbeiteten im vergangenen Jahr in der Senatskanzlei. Kein einziger bekam Geld. Wie viele Praktikanten es insgesamt in der Verwaltung gibt, ist unklar. Auf eine entsprechende Anfrage des SPD-Abgeordneten Sven Kohlmeier antwortete SPD-Innensenator Ehrhart Körting im vergangenen Jahr, es sei "unverhältnismäßig" viel Aufwand, alle 117 Dienststellen nach der Zahl ihrer Praktikanten zu befragen. So gibt es die Zahlen nur für einzelne Behörden. Die Polizei zum Beispiel hat jährlich über 1.000 Praktikanten. Es ist auch unklar, wie oft die Praktikanten in der Verwaltung unbezahlt arbeiten.
Kohlmeier kritisiert, unbezahlte Praktika seien "eine moderne Form der Ausbeutung". Die Koalitionsfraktionen wollen nun etwas dagegen unternehmen: "Die Fraktionen haben einen Antrag beschlossen, wonach Praktika in der Berliner Verwaltung maximal drei Monate dauern und keine regulären Arbeitsplätze ersetzen dürfen, wie es derzeit in einer Reihe von Fällen vorkommt", sagte Kohlmeier zur taz.
Die Linksfraktion hat auch noch eine Vergütung der Praktikanten in den Antrag hineinverhandelt. Wenn das Praktikum länger als einen Monat dauert, dann soll es "angemessen vergütet" werden. Marion Seelig, stellvertretende Fraktionsvorsitzende: "Wir fordern das von der Wirtschaft, und die öffentliche Hand sollte mit gutem Beispiel vorangehen." Schülerpraktikanten, die in der Regel für zwei Wochen in die Verwaltung hineinschnuppern, sollen dagegen weiterhin unbezahlt bleiben. Die Höhe der Vergütung für die anderen Praktikanten steht noch nicht fest; sie soll etwa von der Art des Praktikums oder dem Einsatzbereich abhängen.
Senatssprecher Richard Meng weist die Ausbeutungsvorwürfe zurück. Man nehme nur Bewerber, denen ein Praktikum von ihrer Schule oder Universität vorgeschrieben wird. Und "bei einem Plichtpraktikum besteht keine Vergütungspflicht." Es gehe darum, etwas für das Berufsleben zu lernen. Meng: "Bei den in der Senatskanzlei durchgeführten Praktika steht der Erwerb praktischer Erfahrungen im Vordergrund, nicht die Erwartung an eine bestimmte Arbeitsleistung." Der Aufwand für die Praktikumsbetreuung sei "in der Regel höher als der Nutzen, der aus den Arbeitsergebnissen erzielt wird."
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