Anzeige gegen Sudan-Staudammbauer: Dörfer ohne Warnung geflutet
Der deutsche Konzern Lahmeyer soll Bauern im Sudan von ihrem Land vertrieben haben. Dörfer seien ohne Warnung geflutet worden. Die Firma bestreitet die Vorwürfe.
Erstmals versuchen Juristen, ein deutsches Unternehmen vor hiesigen Gerichten wegen der Missachtung sozialer Menschenrechte in Entwicklungsländern zu belangen. Wegen mutmaßlicher Verstöße im Sudan haben Anwälte eine Anzeige gegen den deutschen Ingenieurkonzern Lahmeyer International eingereicht. Das European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) wirft Lahmeyer in der Anzeige bei der Staatsanwaltschaft Frankfurt/Main vor, durch die Überflutungen beim Bau eines Nil-Staudammes im Sudan die ansässigen Bauern von deren Land vertrieben zu haben.
In einer Zeugenaussage, die Teil der Anzeige ist, heißt es: "Während des Morgengebetes stieg der Wasserstand des Nils plötzlich stark an, und das Wasser überflutete mein Haus, obwohl es auf sehr hohem Gelände stand. Das Wasser stieg so schnell, dass ich nichts retten konnte, weder das Vieh noch die Möbel noch sonstigen Hausrat." Um den Fluten des Flusses zu entkommen, schreibt der Bauer vom sudanesischen Volk der Manasir, sei er mit seiner Familie in die Berge geflüchtet, wo er sich nicht mehr selbst habe ernähren könne.
Das in Berlin ansässige ECCHR unter der Leitung des Anwalts Wolfgang Kaleck wirft Lahmeyer vor, dass die Planungsfirma die Bauern am Nil 2006 und 2008 nicht rechtzeitig gewarnt habe, als der Merowe-Staudamm nach und nach geschlossen wurde. Weil das Wasser des Flusses die Dörfer plötzlich überschwemmte, hätten die Bewohner deshalb keine Chance gehabt, ihr Vieh, ihren Hausstand und ihre Vorräte zu retten. Damit habe Lahmeyer nicht nur Sachbeschädigung und Nötigung verübt, sondern auch gegen das Menschenrecht auf Eigentum, Nahrung und angemessene Unterkunft verstoßen.
Der Merowe-Damm 800 Kilometer nördlich der sudanesischen Hauptstadt Khartoum ist das größte Staudammprojekt Afrikas. Lahmeyer aus Bad Vilbel war mit Planung und Koordinierung beauftragt. Der Damm soll Strom und Wasser für die Bewässerung von Agrarflächen liefern. Seit Beginn der Bauarbeiten im Jahr 2000 wurde auch die Umsiedlung von bis zu 70.000 Menschen geplant. Teilweise war aber "diese Umsiedlung zur Zeit der Überflutung noch nicht erfolgt, wie den Beschuldigten bekannt war", heißt es in der Anzeige.
Das Unternehmen weist die Vorwürfe zurück. "Die Anwohner wurden rechtzeitig gewarnt", erklärt Lahmeyer-Manager Egon Failer. "Berater sind jahrelang zur Bestandsaufnahme und Diskussion in die Dörfer gefahren und haben sogar die Dattelbäume gezählt, um die Entschädigung zu berechnen." Auch bei der lange vorbereiteten Umsiedlung in neue Dörfer sei "professionelle Arbeit geleistet" worden, so Failer. Nur eine Minderheit von "200 bis 300 Personen" habe sich geweigert, ihr angestammtes Land zu verlassen, um "von der Regierung eine höhere Entschädigung zu erstreiten".
Ob es zu einem Ermittlungsverfahren und einem Prozess kommt, ist schwer abzusehen. Mit der Anzeige betritt das ECCHR juristisches Neuland.
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