Anzeige gegen Holzfirma Danzer: Im Dschungel der Vorwürfe
Ist der Holzverarbeiter Danzer strafrechtlich verantwortlich, wenn Sicherheitskräfte im Kongo Dorfbewohner terrorisieren? Menschenrechtler meinen: ja.
In der Nacht zum 2. Mai 2011 überfielen rund 60 Marinesoldaten und Polizisten das kongolesische Dorf Bongulu in der Gemeinde Yakilisa, tief im Regenwald. Sie vergewaltigten sechs Frauen, verhafteten 16 Männer und nahmen ihre Häftlinge auf einem offenen Lastwagen mit. Der Lastwagen gehörte ebenso wie ein zweiter, der dem Truppentransport diente, der Holzfirma Siforco (Société Industrielle et Forestière du Congo).
Auf dem Weg in die Distrikthauptstadt Bumba wurden die Häftlinge misshandelt. In der Siforco-Niederlassung in Engengele präsentierten die Militärs ihre Häftlinge dem dänischstämmigen Siforco-Niederlassungsleiter Klaus Hansen und erhielten Umschläge voller Geld.
So jedenfalls stellen die Menschenrechtsorganisationen ECCHR (European Center for Constitutional and Human Rights) und Global Witness den Sachverhalt in einer Strafanzeige dar, die sie am Donnerstag in Tübingen gegen Olof von Gagern einreichten, den deutschen Chef von Siforcos Mutterfirma Danzer. Die in Reutlingen und Baar (Schweiz) ansässige Danzer-Gruppe ist einer der wichtigsten Hersteller von Holzfurnieren weltweit und seit Jahrzehnten über die Tochterfirma Siforco im Kongo präsent.
„Der Anfangsverdacht der Beihilfe durch Unterlassen zur Vergewaltigung, gefährlichen Körperverletzung, Freiheitsberaubung und Brandstiftung ist erfüllt, da der deutsche Staatsbürger es pflichtwidrig unterlassen hat, Verbrechen durch kongolesische Sicherheitskräfte zu verhindern“, so die Kläger. Von Gagern will dazu auf Anfrage nicht öffentlich Stellung nehmen. Sein Unternehmen hat die Vorwürfe zurückgewiesen.
"Weder beabsichtigt noch unterstützt"
„Danzer und Siforco haben die Gewaltanwendung gegenüber den Bewohnern von Yalisika weder beabsichtigt noch gefördert oder unterstützt“, erklärte Danzer 2011. Die Lastwagen seien von den Ortsbehörden angefordert worden. „Siforco hätte diese Forderung deutlich zurückgewiesen, wenn sie von dem geplanten Einsatz und seinen Auswirkungen gewusst hätte.“
Der Überfall auf das Dorf – das in der Anzeige Bolungu heißt, im Kongo jedoch Bosanga – hat eine Vorgeschichte. Siforco ist hier seit Jahrzehnten präsent. 2005 vereinbarte Siforco mit den lokalen Gemeinden den Bau von Schulen, Gesundheitsstationen und Straßen im Gegenzug für das Recht, den kriegsbedingt suspendierten Holzeinschlag wieder aufzunehmen.
Wiederholt klagten die Dörfer danach, Siforco tue zu wenig, führt ein kongolesischer Untersuchungsbericht aus. Am 20. April 2011 stahlen Bewohner von Yalisika aus einem Siforco-Gelände Funkgeräte und Batterien, um die Firma zum Einlenken zu zwingen, wie das bereits anderswo gelungen war.
Siforco sagt, man habe das den Behörden melden müssen und man könne deren Reaktion nicht kontrollieren. ECCHR widerspricht, weil die Behörden auf Siforcos Logistik angewiesen seien. Unbestritten ist, dass der Gemeindechef erst die Rückgabe des Diebesguts zusagte, dann verhaftet wurde und in der Nacht vor dem vereinbarten Rückgabetermin der Überfall der Militärs erfolgte.
Wusste Siforco das vorher und hätte es das verhindern können?
Staatsanwaltschaft muss entscheiden
Die Staatsanwaltschaft steht nun vor der Frage, ob sie Ermittlungen aufnimmt. ECCHR-Präsident Wolfgang Kaleck will damit die Debatte über globale Verantwortung von Unternehmen vorantreiben. Danzer-Chef von Gagern sieht darin eine Kampagne, damit Siforco keine FSC-Nachhaltigkeitszertifizierung erhält.
Danzer hat Siforco mittlerweile an die im Kongo ansässige Blattner-Gruppe aus den USA verkauft, bleibt aber Alleinvermarkter der Siforco-Hölzer. Aus Yalisika hat sich Siforco zurückgezogen. Vor einem halben Jahr bat die Gemeinde die Firma um Rückkehr. Vergeblich.
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