Anwohner leiden unter Industrie: Wilhelmsburg stinkt

Ein Geruchsgutachten für den Wilhelmsburger Westen weist zum Teil sehr hohe Grenzwertüberschreitungen nach. Die Ölwerke rüsten nach, doch das riecht man nicht.

Nase zu: Gestank in Wohngebieten will keiner haben. Bild: dpa

HAMBURG taz | Der Gestank im Wilhelmsburger Westen ist durch ein Gutachten des TÜV Nord belegt worden. Damit liegt Schwarz auf Weiß vor, wie sehr das Leben im Reiherstiegviertel durch die Gerüche der angrenzenden Betriebe beeinträchtigt wird. Dabei sind die Grenzwerte zum Teil um mehr als das Dreifache überschritten worden.

Der Gestank in Wilhelmsburg ist seit Jahrzehnten ein Ärgernis für die Bewohnerschaft. Aktuell aufgebracht haben das Thema die BewohnerInnen des Puhsthofs am Veringkanal, die sich über den Gestank der benachbarten Nordischen Ölwerke Walther Carroux (NOW) beschwerten.

Als deren Geruch im Sommer 2009 besonders stark war, erstatteten sie Anzeige. Geändert habe sich seither kaum etwas, sagt Student Marco Antonio Reyes Loredo. Zwar hätten die Ölwerke ihre Technik verbessert, "riechbar sind diese Neuerungen bisher jedoch nicht", sagt Kerstin Schaefer, die ebenfalls im Puhsthof wohnt.

Gutachterlich erfasst wurde der Gestank über das ganze Jahr 2008 hinweg. Grundlage dafür ist die Geruchsimmissionsrichtlinie (Girl), die vorschreibt, wie der Geruch zu messen ist und wann eine "erhebliche" Geruchsbelästigung vorliegt.

Der Gestank in Wohn- und Mischgebieten gilt demnach als unzumutbar, wenn es in mehr als zehn Prozent der Jahresstunden stinkt, in Industrie- und Gewerbegebieten ab 15 Prozent. Eine Geruchsstunde wird gewertet, sobald es sechs Minuten lang stinkt, denn der Mensch orientiert sich an Augenblickswerten, wie die Gutachter ausführen.

Für das Gebiet, in dem die NOW und der Puhsthof liegen, ergab die Erhebung einen Wert von 48 Prozent. Das ist auch für ein Gewerbegebiet viel zu viel. Im unmittelbar anschließenden Wohngebiet liegt die Belastung bei 33 Prozent, im Wohngebiet am Vogelhüttendeich bei 29 Prozent. Das ist dreimal so viel, wie zulässig wäre.

Nun war die Gegend rund um die NOW 2008 zwar als Zentrum des Gestanks auszumachen. Es wurde aber auch in fast allen übrigen Wohngebieten westlich der Wilhelmsburger Reichsstraße der Grenzwert kräftig überschritten.

Kein Wunder: Schließlich gibt es ein halbes Dutzend stark riechender Betriebe in dem Industrie- und Gewerbegebiet am Westrand Wilhelmsburgs.

In der Tat habe das im Februar 2009 veröffentlichte Gutachten über die Geruchsmessungen des Jahres 2008 "ziemlich starke Belastungen nachgewiesen", sagt Volker Dumann, Sprecher der Umweltbehörde. Ein weiteres Gutachten im Auftrag von NOW habe das 2010 bestätigt. Darum verzichte die Firma nun auf den Einsatz "besonders geruchsintensiver tierischer Fette und Fettsäuren".

Zurzeit werde die Abwasseranlage von offenen Becken auf geschlossene Tanks umgerüstet. Die Maßnahme solle bald abgeschlossen sein. Dann sollte sich die Situation, so Dumann, "spürbar verbessern".

Die Nachbarschaft zwischen Gewerbegebieten, stark befahrenen Verkehrswegen und Wohngebieten ist auch eines der Themen der Internationalen Bauausstellung (Iba) 2013.

Ausgerechnet die NOW sollen in ein symbolträchtiges Iba-Projekt eingebunden werden: den Umbau des Hochbunkers an der Neuhöfer Straße zu einem "Energiebunker". Wegen dieser Zusammenarbeit spreche die Iba mit den NOW über Möglichkeiten, die Gerüche zu verringern, sagt deren Sprecher Enno Isermann.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.