Anwalt, der die AKP verbieten will: Der türkische Oberankläger
Generalstaatsanwalt Abdurrahman Yalcinkaya will die Partei der türkischen Regierung verbieten lassen und deren Protagonisten in Rente schicken.
Abdurrahman Yalcinkaya, der Mann, der die türkische Regierung entmachten und ihre führenden Vertreter in Rente schicken will, ist seit einem knappen Jahr Generalstaatsanwalt der Türkei. Er wurde im Mai 2007, auf dem Höhepunkt der Auseinandersetzung um die Wahl des neuen Staatspräsidenten, vom damaligen Präsidenten kurz vor dessen Abgang ernannt. In seiner noch kurzen Amtszeit hat er sich bereits mit einem Verbotsantrag gegen die kurdische DTP profiliert, die 20 Abgeordnete im Parlament stellt. Das Verfahren ist beim Verfassungsgericht anhängig.
Yalcinkaya ist ein klassisches Produkt der kemalistischen Schule. Für ihn gehören Parteiverbote zum normalen juristischen Alltag. Sein eigentliches Fachgebiet als Staatsanwalt ist aber nicht die Parteipolitik, sondern die Bekämpfung der Korruption. In der türkischen Presse wird er als kaltblütig, furchtlos und fleißig beschrieben. Als stellvertretender Generalstaatsanwalt hat er seit seiner Berufung 2004 keinen Konflikt gescheut. Er hat gegen den früheren Ministerpräsidenten Mesut Yilmaz genauso Anklage erhoben wie gegen etliche Minister der letzten Koalition unter Bülent Ecevit. Seine größten Erfolge feierte er jedoch als Kämpfer gegen den Drogenschmuggel.
Abdurrahman Yalcinkaya ist Kurde. Er wurde 1950 geboren und kommt aus Urfa, einer der ältesten Städte der Türkei nahe der syrischen Grenze. Sein Vater war dort Lehrer. Sein Großvater gehörte dagegen noch zum islamischen Naksibendi-Orden und galt dort als berühmter Scheich. Er kommt also aus einer Familie, die sich selbst aktiv vom Islam weg- und der Republik und dem Kemalismus zugewandt hat.
Schon als Jugendlicher ging er von Urfa nach Ankara. Dort absolvierte er das Gymnasium und ein Studium an der Rechtsfakultät der Universität Ankara. Er machte von Beginn an Karriere im staatlichen Justizwesen, wurde Richter in verschiedenen Städten der Türkei, bis er 1998 als Richter ans Yargetai, das höchste türkische Zivilgericht, berufen wurde. Nach dieser Bilderbuchkarriere landete er 2004 bei der Generalstaatsanwaltschaft.
Yalcinkaya gehört zu dem Schlag türkischer Juristen, für die der Staat und das Wohl des Staates, wie sie das definieren, immer an erster Stelle kommt. Er ist persönlich integer, nicht korrumpierbar und ein absoluter Überzeugungstäter. Er hat wie der größte Teil dieser kemalistischen Bürokraten und Militärs eine absolut paternalistische Vorstellung von der Gesellschaft. Er ist überzeugt davon, dass er und seinesgleichen die wahren Verfechter der Republik sind. Seine Amtszeit dauert noch bis 2011. Er ist verheiratet und hat zwei Kinder.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Nach Absage für Albanese
Die Falsche im Visier
Nach Taten in München und Aschaffenburg
Sicherheit, aber menschlich
Treibhausgasbilanz von Tieren
Möchtegern-Agrarminister der CSU verbreitet Klimalegende
Ägyptens Pläne für Gaza
Ägyptische Firmen bauen – Golfstaaten und EU bezahlen