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Anwältin über DSK-Prozess"Der Täter profitiert"

Die Anklage gegen Strauss-Kahn wurde zu Recht fallengelassen, sagt Anwältin Theda Giencke. Auch wenn die eigentliche Tat damit keineswegs bestritten ist.

Wann sagte sie die Wahrheit und wann nicht? Nafissatou Diallo. Bild: dapd
Heide Oestreich
Interview von Heide Oestreich

taz: Frau Giencke, das New Yorker Gericht hat das Verfahren gegen Dominique Strauss-Kahn eingestellt. Ist das für Sie plausibel?

Theda Giencke: Ja, es gibt wohl gute Gründe, warum die Anklage fallen gelassen wird.

Kann man wirklich mit dem Hinweis, Diallo habe unter anderem bei der Einwanderung gelogen, ihre Glaubwürdigkeit insgesamt infrage stellen?

Das nicht, aber das hat die Staatsanwaltschaft auch nicht getan. Es ging vor allem um die Art und Weise, wie Diallo mit diesen Aussagen umgegangen ist. Die Fähigkeit, etwas sehr emotional und stringent darzustellen, was sich dann als Unwahrheit erweist, zeugt von einer hohen Konfabulationsfähigkeit, wie man das nennt: der Fähigkeit, Geschichten zu erfinden. Man konnte nicht erkennen, wann sie die Wahrheit sagt, weil sie so gut schauspielern konnte.

Das beweist doch nicht, dass ihre Aussage zur Tat falsch ist.

Theda Giencke

42, ist Anwältin für Strafrecht und im Vorstand des Vereins Nebenklage e. V., der für die Wahrung von Opferinteressen in Strafverfahren eintritt.

Aber auch in der Aussage zur Tat gibt es Inkonsistenzen: Hat sie nach der Tat noch ein Zimmer geputzt oder dort Putzzeug geholt oder im Flur gestanden? Da gibt es drei Versionen.

Vielleicht dachte sie zuerst, man glaubt ihr nicht, und hat deshalb dramatisiert? Wohin sie gelaufen ist, ist doch Randgeschehen. Der Kern der Aussage über die Tat blieb dagegen unverändert.

Nein, wie man aus einer solchen Situation herauskommt, gehört mit in den Kernbereich der Tat. Das ist kein Randgeschehen.

Das heißt, Sie glauben Frau Diallo nun auch nicht mehr?

Das nicht. Vor allem finde ich bei Diallo kein Motiv dafür, so etwas zu erfinden. Die Situation ist so zufällig entstanden, dass Diallo sie nicht geplant haben kann. Tatsache ist auch, dass sie unglaublich oft vernommen wurde. Sie kann auch psychisch am Ende gewesen sein und deshalb keine stabile Aussage mehr gemacht haben. Aber es lässt sich so eben nicht mehr klären, ob Zwang im Spiel war oder nicht.

Strauss-Kahn hat den sexuellen Kontakt zunächst geleugnet. Da ist er auch nicht so glaubwürdig, oder?

Der Angeklagte darf lügen, um sich zu schützen. Da ist in unserem Rechtssystem so geregelt.

Sitzt der Beschuldigte letztendlich am längeren Hebel?

Na ja, gerade Prominente erfahren eine extreme Rufschädigung durch Anschuldigungen. Sie haben aber die finanziellen Mittel, um immer noch neue Gegengutachten erstellen zu lassen. Generell ist aber der Nachweis einer Vergewaltigung einfach schwierig. Da profitiert ein Täter von der Unschuldsvermutung.

Ist Diallo auch unglaubwürdig, weil sie sich mehr hätte wehren müssen? "Zubeißen beim Oralverkehr" hat zum Beispiel Peter Scholl-Latour gefordert.

Ich hatte gerade einen Fall, in dem das Opfer zugebissen hat. Das machte den Beschuldigten noch aggressiver.

Also lieber gar nicht wehren?

Das ist leider nicht eindeutig zu beantworten. Wenn Frau Diallo nicht laut genug Nein gebrüllt hat, dann kann das schon bedeuten, dass die Tat nicht mehr als Vergewaltigung gilt. Andererseits rät die Kripo, sehr, sehr vorsichtig zu sein, um den Täter nicht noch zu provozieren. Man verschiebt aber mit dem Vorwurf der Untätigkeit die Verantwortung vom Täter auf das Opfer. Das wird der Situation nicht gerecht, es verschlimmert sie: In 95 Prozent der Fälle werfen die Frauen sich selbst vor, dass sie nicht mehr unternommen haben. Dabei sind viele schlicht wie gelähmt und stellen sich quasi tot. Herr Scholl-Latour verharmlost die Not des Opfers.

Welches Signal sendet das Verfahren an die Gesellschaft?

Ein widersprüchliches: Zum einen zeigt es, wie frustrierend es sein kann, eine Anklage wegen Vergewaltigung zu erheben. Der Druck auf die Zeugin war immens. Zum anderen aber auch, dass auch Prominente Vergewaltiger sein können und dass man auch die anzeigen darf.

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11 Kommentare

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  • L
    Lena65

    @Christine Rölke-Sommer

     

    "aus den recommandations ergeben sich mehrere anhaltpunkte dafür, dass die beiden mehr als einen verbalen kontakt hatten."

     

    Ja natürlich, die beiden hatten Sex, das ist unbestreitbar. Die Frage ist nur: auf welcher Basis? Eine ganz normale "Affäre" halte ich für ausgeschlossen (zu wenig Zeit). Genauso auszuschließen ist aber auch eine Vergewaltigung, bei der es zu den von Frau Diallo behaupteten Gewaltausübungen kam. Wenn niemand Wunden, blaue Flecken, DNA unter den Fingernägeln und die Zeugin auch kein Blut DSKs (blutende Hände) auf Kleidung und Körper hat, dann kann die Sache nicht so "gewaltsam" abgelaufen sein, wie sie es behauptet hat. Als einzig wahrscheinliches Szenario bleibt dann die kommerzielle Vereinbarung. Die ist allerdings in NY für beide Seiten strafbar, obwohl sie für DSK vermutlich so normal wie der Waffenbesitz für einen Texaner ist. In Frankreich hätte er garantiert sofort gesagt, dass er für den Sex gezahlt hat. Da seine ausgebufften Anwälte aber die Linie fuhren, dass nur darüber gesprochen wird, was angeklagt ist, blieben immer nur die Alternativen - er hat sie verführt - er hat sie vergewaltigt.

    Bezieht man sich rein auf das, was sie ihm vorgeworfen hat, dann bleibt nach den forensischen Ergebnissen nur ein Schluss: Er hat die Tat nicht begangen.

  • CR
    Christine Rölke-Sommer

    @ Lena 65

    wenn schon, dann bitte vollständig referieren.

    aus den recommandations ergeben sich mehrere anhaltpunkte dafür, dass die beiden mehr als einen verbalen kontakt hatten.

    streitig war lediglich, war dieser sexual contact consensual oder nicht.

     

    die staatsanwaltschaft hätte sich vielleicht ein bißchen mehr zeit und mühe geben können/sollen, die von ihr angeführten inconsistencies in den aussagen der geschädigten aufzudröseln.

    das ist allerdings bei extrem-traumatisierten menschen ein mühsames geschäft.

     

    ach ja ... ich gehe mal davon aus, dass eine infibulierte frau aus Guinea nach infibulation, ehe, mindestens einer geburt, möglicherweise weiteren erfahrungen sexualisierter gewalt und einem asylverfahren in den USA extremtraumatisiert sein dürfte. vor dem hintergrund ist es ein bißchen zu einfach, von "Konfabulation" zu reden.

  • KS
    Konstantin Schneider

    Jeder Schöngeist wird sich die Frage gestellt haben, warum DSK mit dieser Frau überhaupt etwas zu tun haben wollte. Insofern ist seine Frau Ann Sinclair nicht zu beneiden. Das DSK profitiert haben soll, ist irgendwie nicht nachvollziehbar, es sei denn seine "Tat" sollte ganz unbewusst dazu dienen, dass er sich künftig mehr um seine Frau kümmern kann, weil er nicht Präsident von Frankreich werden muss.

  • A
    Apollo

    Es freut mich, dass hier so deutlich festgestellt wurde, dass die Dame überhaupt kein Motiv zu lügen hatte.

    Dass man mit solchen Lügen Million"entschädigungen" erschwindeln kann, erfahren die allesamt erst viel später.

  • DR
    Dr. rer. Nat. Harald Wenk

    Die Staatsanwältin müsste sich nur noch wundern darüber, dass sie das darf: bei so einer dünnen Beweisdecke so richtig in die Weltpolitik völlig an allen legitimen Wegen vorbei eingezugreifen.

     

    Falls jemand da ermitteln möchte, bei dieser größten Rücktritsintrige seit längerem, steht es ihm jederzeit privat frei: im US Polizei- und Justizapprat und im fernen Afrika oder dem BIG APPLE New York oder in Frankreich oder...

     

    Die dürfen ja alle lügen,um sich zu schützen Das machen die selbst dann, wenn sie es nicht dürfen....

     

     

    Wenn es denn beim Lügen bleibt, bei so vielen anderen Möglichkeiten, die die Apparat und Möcnbhtigen da haben. Die Unterwelt kommt noch hinzu.

  • S
    Sami

    Ich kann mir nicht vorstellen, wie eine erwachsene Frau als Angestellte eines Fünfsterne-Hotels im Dienst von einem Mann vergewaltigt werden kann. Und ich habe sehr lange in solchen Hotels gewohnt..

  • BA
    bitte anonym

    Das Hotel Sofitel hat 24/7 Kamera Ueberwachung, auch in den Koridoren, und moeglicherweise in den Suites, welches nicht selten ist ( versteckte Kameras in Lampen, Uhren, und/oder Plasma Screen, Elektrogeraete wie radiouhr auf dem Nachtkonsoelchen, usw. Ist heutzutage gang und gaebe in sehr vielen Hotels, vor allem grosshotelketten wie , Arcord, vier Jahreszeiten, usw.

     

    Solche aufnahmen der Cameras werden bei untersuchungen soffort angeshen, ohne das Klaeger und Angeklagte davon wissen, noch es ihnen vorweg gesagt wird - Untersuchungsstrategie. Was immer sie daher sagen kann entweder dem Albauf des ' surveilance' films wiedersprechen oder nicht ; daher, ... Am besten immer die Wahrheit sagen, denn ' Adlerauge' oder big brother hat die ' Wahrheit' sowieso schon gesehen.

     

     

    Ps, also liebe jungs und maedchen, auch kein Kaugummi unter die Stuetze im Aufzug kleben, gell, denn I'm Aufzug ist auch eine klitzekleine Kamera einbebaut - ja, ja, der liebe Gott sieht alles,

    ; )

  • L
    Lena65

    @beka48

     

    Ich habe das aus der eingescannten Empfehlung der Staatsanwaltschaft zur Einstellung des Verfahrens, wie man sie z. B. bei der New York Times lesen konnte:

     

    http://www.nytimes.com/interactive/2011/08/22/nyregion/dsk-recommendation-to-dismiss-case.html

     

    Richtig interessant wird es ab S. 17. Den Abschnitt über DSKs offene Hände finden Sie auf S. 19. Aber auch die Aussagen zu den medizinischen Untersuchungen sind sehr aufschlussreich, beispielsweise die Stellungnahme eines Experten zu den Rötungen in ihrem Intimbereich (S. 20 unten): "It was not likely caused by such an act." Ferner soll auch die von ihr reklamierte Schulterverletzung nichts mit der angeblichen Tat zu tun haben (S. 22).

     

    Schließlich: Sie betrat die Suite um 12:06, DSK verließ sie wohl um 12:26. Zwischendurch (12:13) führte er ein Telefongespräch mit seiner Tochter (S. 23). In den verbliebenen 12 Minuten soll er die Frau überwältigt und vergewaltigt und sich danach vollständig angezogen haben.

     

    DSK hat die Tat nicht begangen, da gibt es nichts zu rütteln.

  • B
    beka48

    @LENA65:

     

    Woher wissen Sie das Alles? Das ist ja erstaunlich, das hab ich bisher noch nirgendwo gelesen, können Sie vielleicht eine Quelle nennen?

  • L
    Lena65

    Die Anklage wurde nicht nur deshalb fallen gelassen, weil die Zeugin mehrfach gelogen hatte, sondern auch, weil die forensischen Untersuchungen nicht mit der beschriebenen Tat vereinbar waren. Das hat die Staatsanwaltschaft nicht so deutlich gesagt, da sie sonst ihr Gesicht verloren hätte. In der 25-seitigen Begründung der Staatsanwaltschaft wird jedoch auch festgestellt, dass weder unter DSKs noch Diallos Fingernägeln DNA der Gegenseite zu finden waren. DSK schien darüber hinaus wohl (zumindest zu diesem Zeitpunkt) unter einer Hauterkrankung zu leiden, die man gemeinhin als offene Hände bezeichnet. Damit erklärten sich gemäß Staatsanwaltschaft u.a. die Blutflecken auf der Bettwäsche und seiner Unterwäsche, zumal es sein Blut war. Bemerkenswert ist, dass sich von ihm keinerlei Blut auf der Kleidung oder dem Körper Diallos befand. Wenn er sie mit seinen offenen Händen so gewaltsam gepackt hätte, wie sie es behauptet hat, dann hätten sich sowohl Hautpartikel als auch Blut finden lassen müssen. Die forensischen Ergebnisse schließen eine Vergewaltigung praktisch aus. Deshalb musste das Verfahren eingestellt werden. DSK hat die Tat nicht begangen.

  • M
    Marcus

    Ein guter und ausgewogener Beitrag, aber die Überschrift ist im verhältnis zum Inhalt doch sehr gewagt, wenn nicht unpassend.