Anwälte veröffentlichen Verhör-Video: Der verwirrte Junge von Guantánamo
Omar Khadr hat seine Jugend in US-Haft auf Kuba verbracht. Der Kanadier soll als 15-Jähriger einen US-Soldaten getötet haben. Jetzt kursuiert ein Verhör-Video im Internet.
Fünf Jahre lang war es still um den jüngsten Häftling im US-Kriegsgefangenenlager Guantánamo. Nun drang "der Schrei eines verzweifelten jungen Mannes" nach draußen. Die Anwälte von Omar Khadr erinnerten an das Schicksal ihres Mandanten, indem sie Videos von Verhören durch kanadische Geheimdienstbeamte im Februar 2003 veröffentlichten. "Dieses Kind hat genug gelitten", sagt sein Anwalt Dennis Edney. Damals habe Omar erwartet, die Beamten würden ihn nach Kanada mitnehmen. Doch weder seine Narben noch seine Tränen rührten Ministerpräsident Stephen Harper: Er lehnte es ab, sich bei der US-Regierung für Khadr einzusetzen.
US-Soldaten nahmen den 15-jährigen Khadr 2002 während eines Gefechts im afghanischen Ayub Kheyl fest. Die US-Behörden stufen ihn als "feindlichen Kämpfer" ein und werfen ihm vor, einen US-Soldaten mit einer Granate getötet zu haben. Beweise dafür hat das Pentagon allerdings nicht.
Erhellender als die bewegenden Bilder sind Akten, die die kanadische Regierung freigab und die die Nefa-Foundation ins Internet stellte. Danach wurde Khadr von seinen Mithäftlingen umschwärmt, wegen seiner angeblichen Heldentat und wegen der Beziehungen seiner Familie zu al-Qaida. Khadr, 1986 in Ottawa geboren, pendelte als Kind zwischen Kanada, Pakistan und Afghanistan. Und so verwirrend wie seine Kindheit wirkt auch sein Verhalten: Mal kooperiert er mit den Ermittlern, zeigt Interesse an Büchern, dann macht er dicht. Im einen Moment verleugnet er seine Familie und pinkelt auf ihre Fotos, um sie im nächsten zu umarmen. Sein Vater Ahmed Khadr, der Ende 2003 bei einem Gefecht in Pakistan starb, ließ den Sohn zum Terroristen ausbilden. Einmal bestreitet Omar dies ebenso wie die Tötung des US-Soldaten, dann gesteht er die Tat, um sie später zu widerrufen.
Ahmed Khadr galt als Vertrauter Ussama Bin Ladens. Nach Unterlagen des Pentagon reiste die Familie 1996 bis 2001 zwischen Afghanistan und Pakistan hin und her und besuchte regelmäßig Bin Laden in Jalalabad. Omar war Schüler einer Madrassa in Peschawar. Trotz strenger Koranstudien stellte er sich das Paradies aber als einen "mit Pudding gefüllten Swimmingpool" vor.
Es drängt sich der Eindruck auf, der "feindliche Kämpfer" Omar büße für die Taten des Vaters. Amnesty verlangt, ihn sofort an Kanada auszuliefern. Seine Chancen auf ein faires Verfahren sind nicht gut. US-Präsident Bush machte deutlich, dass es nicht eilt, das jüngste Urteil des Obersten Gerichtshofs umzusetzen. Der hatte entschieden, dass auch Guantánamo-Häftlinge ein Recht auf ein ordentliches Gerichtsverfahren haben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Anschlag in Magdeburg
Der Täter hat sein Ziel erreicht: Angst verbreiten
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Tarifeinigung bei Volkswagen
IG Metall erlebt ihr blaues „Weihnachtswunder“ bei VW
Bundestagswahl 2025
Parteien sichern sich fairen Wahlkampf zu