: Antimafia-Koalition zurückgetreten
Das „Experiment Orlando“, mit dem der Bürgermeister Palermos gegen die Mafiosi vorgehen wollte, wurde durch Andreotti zu Fall gebracht / Orlando startet jetzt Bürgerliste gegen Mafiosi ■ Aus Rom Werner Raith
Die Weichen für die Wende in Palermo wurden in Mailand und Rom gestellt: Geschwächt innerhalb seiner DC durch eine von Ministerpräsident Giulio Andreotti höchstpersönlich überwachte Entschließung gegen die palermitanische Politik, trat in der Nacht zum Mittwoch der Bürgermeister der Stadt, Leoluca Orlando, zusammen mit der einzigen entschieden antimafiosen Koalition Siziliens zurück. Ein Experiment wird damit abgebrochen, das drauf und dran war, die üblichen politischen Verhaltensweisen durcheinanderzuwirbeln. Nicht mehr Parteiallianzen sollten nach dem Willen der aus linken Christdemokraten, Grünen, Sozialdemokraten, Linksunabhängigen und Bürgerinitiativen zusammengesetzten Rathauskoalition zählen, sondern ausschließlich das Programm: möglichst bürgernah, mit einer politikerunabhängigen Kontrollstelle der „Vereinigung für politische Transparenz“.
Das Experiment gefiel dem Volke so sehr, daß auch Roms Politiker mit der Forderung nach einem moralischen Wandel konfrontiert wurden. Den größten Ärger verursachte die Polit -Reinigung in Palermo freilich bei den Sozialisten: Weil sie bei den Wahlen 1987 unverhüllt mafiose Wahlhilfe angenommen hatten, blieben sie von der Stadtregierung ausgeschlossen mit der Gefahr, nichts von den derzeit gerade anrollenden umgerechnet zwölf Milliarden DM für die Stadtsanierung absahnen zu können.
So ließ sich PSI-Chef Craxi bereits vergangenen Mai während des Nationalkongresses seiner Partei vom damals gerade zum Sprung ins Ministerpräsidentenamt ansetzenden Giulio Andreotti und dem neuen DC-Chef Arnaldo Forlani versprechen, daß Palermo alsbald eine Koalition nach römischem Muster also ohne Linke und Grüne, aber mit den Sozialisten erhält. Den ersten Versuch, ihn auszuhebeln, konnte Orlando noch abblocken, indem er die Kommunisten in seine Koalition hereinnahm und so Rom-hörige Heckenschützen seiner Partei kompensierte.
Doch nun hat ein vor allem von den Sozialisten hochgespielter Leichtsinn der Grünen Stadträtin Letizia Battaglia die Kommunisten der Koalition wieder entfremdet die beliebte Dezernentin hat nicht verhindert, daß ein öffentlicher Auftrag Palermos an entfernte Verwandte von ihr ging. Das ist zwar weder unkorrekt noch ungewöhnlich - doch nun instrumentalisieren die Orlando-feindlichen Medien und Politiker den Fall, um die „Mafiosität“ just der antimafiosen Allianz zu „beweisen“. Orlando scheint indes entschlossen, nicht klein beizugeben. Er wird aller Voraussicht nach eine parteiunabhängige Liste bei den Wahlen anführen.
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