Antifa-Punk von WIZO: Piggies sind im Kommen
Die Funpunkband WIZO aus Sindelfingen macht Antifasound für Jung und Alt. Mit dem neuen Album „Nichts wird wieder gut“ ist das Trio auf Tour.
„All Cats Are Beautiful“. Insbesondere die mit Sturmhaube. So schmissig etwa schaut die Katze mit rehgroßen Augen auf dem Cover von „Nichts wird wieder gut“. Und es kann in weiser Voraussicht verraten werden: Nee, wird es nicht. Wie auch. Denn ebenfalls auf dem Cover: eine Trümmerlandschaft.
Gegen rechts engagiert sich die antifaschistische Punkbank WIZO aus Sindelfingen schon so lange, wie sie Musik macht: seit 1985. Die drei Musiker sind wenig überrascht von dem, was die Recherchen von Correctiv und der „Geheimplan gegen Deutschland“ vor wenigen Tagen offenbart haben. Ans Licht kam, dass hochrangige Politiker, Neonazis und finanzstarke Unternehmer bei einem Meeting in Potsdam die Deportation von Millionen von migrantischen und deutschen Menschen geplant hatten.
„Hallo? Was geht mit dieser Scheißgesellschaft hier? /Hallo? Wo der blaubraune Zeitgeist eskaliert? / Die ganze rechte Scheiße wuchert immer weiter und so wies aussieht, wird es hier bald richtig heiter!“, resümieren WIZO ziemlich hellsichtig – denn verfasst hat Sänger Axel Kurth den Songtext bereits 2018.
Wie er kurz vor einem Konzert in „Wizobaden“ der taz erzählt: „Der Witz für mich war, dass wir 2021 gerade in so eine Art ‚Wohlfühlloch‘ geplumpst sind, als wir plötzlich eine Ampelkoalition-Regierung bekamen und es den Anschein hatte, als wäre die Gefahr von der AfD eingedämmt. Da schien es mir für die Menschen nicht nachvollziehbar, so einen Text rauszuhauen, aber leider konnte ich mich auf die Weissagungen der großen weisen Katze verlassen: ‚Nichts wird wieder gut!‘“
WIZO: „Nichts wird wieder gut“, (Hulk Räckorz)
Live: 24. 1., Krefeld, Kufa: 25. 1., Köln, Carlswerk Victoria; 26. 1., Dortmund, FZW, wird fortgesetzt
Grundnihilistische Attitüde
Also war es dann schon bald keine Frage mehr, den Song auf ihr aktuelles Album zu packen. Man könnte meinen, dass nach fast 40 Jahren Bestehen der Band und antifaschistischem Aktionismus ein gewisser Katzenjammer einkehren würde, Kurth identifiziert die Geisteshaltung von WIZO als „grundnihilistische Attitüde“.
Es gehe ihnen nur beschränkt darum, etwas zu ändern: „So wichtig nehmen wir uns ja gar nicht. Wenn unsere Sicht auf die Dinge bei den Zuhörern Veränderungen bewirken, finden wir das natürlich toll.“ Die Erfahrung zeige, „dass wir überdurchschnittlich viele coole Menschen im Ehrenamt oder bei nicen NGOs im Publikum haben – da scheint WIZO tatsächlich mal was Gutes bewirkt zu haben, aber grundsätzlich liegt uns nichts so fern wie der erhobene Zeigefinger, boomeriges Mansplaining und Belehrung, hehehe!“
Die 13 Songs des neuen Albums behandeln in den Texten neben Politik als Gegenstand auch das Altwerden und die dazugehörigen Tücken. Wenn es nicht mehr wild, jung und schön ist, das Haar schütter, der Rücken schmerzend und das Bier sich im Bauch absetzt.
In sehr fidelen Anleihen feiert WIZO mit „Verfall der Schönheit“, genau diesen, statt dagegen zu maunzen. Gleichermaßen überwiegen bei „Schlafanzug“ die Vorzüge: „Gepriesen sei das Alter, denn im Alter wird man klug / Vorbei die Zeit der Illusion / Vorbei der Selbstbetrug.“ Dazu spielt Kurth die Gitarre so salonfähig entspannt, dass man einfach schunkeln und schaukeln muss.
Ein Herz für Popsongs
Außerdem ist WIZO halt nicht nur Krach und Krakeel, sie haben eben auch „schon immer ein riesengroßes Herz für catchy Refrains und Popsongs.“ WIZO sollte also nicht zu ernst genommen werden. Was bei den zuvor erwähnten Titeln hinreißend in ihrer Eingängigkeit funktioniert, wird bei „Ich war, ich bin und ich werde sein“ etwas überstrapaziert. Kitschig wie ein Wandtattoo klingt der Sound hier nach hymnischem Stadionrock und Pop aus der Konserve und wirkt mitunter ziemlich quälend.
Während „Zucker und Fett“ zunächst positive Jens-Rachut-Assoziationen hervorruft, verwandelt sich der Refrain in einen seltsamen Schlager. Doch sind ebensolche vermeintlichen Aussetzer so sympathisch, dass sie sich von klassischen WIZO-Stücken wie „Grauer Brei“ oder „Binärbaum“ hervorheben, die zwischen Pogo und Reggae – ja, beinahe – trödeln.
Die Mischung aus ernsten – und ernst zu nehmenden! – politischen Songtexten sowie einem selbstironischen und schalkhaften Umgang mit ihren Selbsten, lässt WIZO gut altern. Und wie das geht erklärt Kurth: „Klar, wir haben mehr zu verlieren, weil man irgendwann seinen Shit beinander hat: Kinder, Plattensammlungen usw., aber eigentlich lautet doch die Anschlussfrage: ‚Wotsefak?‘ Das hat mir auf jeden Fall das Alter gebracht, dass ich weder urteile noch mir selber irgendeinen Stress gebe. Is ja eh bald Atomkrieg, weißte?!“
Und wer Kinder und Vinyl auf eine Stufe stellt, wird sowieso mit großer Wahrscheinlichkeit auch beim nächstem Haustier-Hype recht behalten: „Also ich denke ja, dass eigentlich Schweine das nächste große Internet-Thing sein werden, auch wenn es den anderen Viechern nicht gefällt; aber Piggies sind einfach im Kommen.“ Dem sollte einfach mal geglaubt werden.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Weltpolitik in Zeiten von Donald Trump
Schlechte Deals zu machen will gelernt sein
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links
Emotionen und politische Realität
Raus aus dem postfaktischen Regieren!
Einführung einer Milliardärssteuer
Lobbyarbeit gegen Steuergerechtigkeit
Berlinale-Rückblick
Verleugnung der Gegenwart