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Anti-Regierungs-Demo in GeorgienMassenproteste gegen Saakaschwili

In Georgiens Hauptstadt Tiflis haben zehntausende Menschen gegen Präsident Michail Saakaschwili demonstriert - organisiert vom reichsten Mann des Landes.

Perfektes Demowetter: Proteste in Tiflis. Bild: dpa

MOSKAU taz | Im Oktober wird in der Kaukasusrepublik Georgien ein neues Parlament gewählt. Zum Wahlkampfauftakt fand am Wochenende in der Hauptstadt Tbilissi eine Massenkundgebung statt, an der bis zu 80.000 Demonstranten teilgenommen haben sollen. Es war die größte Protestaktion gegen Präsident Michail Saakaschwili seit mehr als drei Jahren.

Die Demonstration war von dem Fünfparteienbündnis „Georgischer Traum - Georgische Demokratie“ veranstaltet worden. Das Bündnis hatte der angehende georgische Oppositionspolitiker Bidsina Iwanischwili Ende 2011 ins Leben gerufen.

Iwanischwili ist laut dem US-Wirtschaftsmagazin Forbes mit 4,8 Milliarden Euro nicht nur der reichste Georgier, sondern auch einer der reichsten Männer der Welt. Erst im letzten Jahr stieg der Milliardär, der in Tschorwila im Westen Georgiens lebt, in die Politik ein. Auf der Kundgebung in Tbilissi versprühte der 56-jährige Oligarch vor jubelnden Anhängern Siegesgewissheit: „Dieser Kampf wird mit unserem Triumph enden.“ Das Land stünde am Abgrund, deshalb habe er sich entschlossen, Politiker zu werden, es sei seine Pflicht.

Der Exkapitän der georgischen Fußball-Nationalmannschaft, Kacha Kaladse, pries Iwanischwili zum Auftakt der Kundgebung denn bereits auch schon als neuen „nationalen Leader“. Den noch amtierenden Präsidenten forderte er auf: „Mischa, die Leute trauen dir nicht mehr, du solltest gehen.“ In Umfragen liegt der Georgische Traum bislang jedoch noch hinter der Nationalen Bewegung Präsident Michail Saakaschwilis.

Iwanischwili eröffnete zuletzt in 30 Städten und Gemeinden Georgiens Parteibüros. Auch in Washington und Brüssel sind seine Emissäre unterwegs, die den westlichen Partnern zeigen sollen, „wie es im Land tatsächlich aussieht und welche Probleme es vor den Wahlen gibt“.

Nach dem Zusammenbruch des Kommunismus Anfang der 1990er Jahre in Russland war Iwanischwili zu sagenhaftem Reichtum gekommen. Unter anderem verdiente er sein erstes Geld mit Tastentelefonen, bevor er die Holding Rossiskij Kredit gründete und in diverse Immobilienprojekte investierte.

Iwanischwili will Georgien zu einem gleichberechtigten Mitglied der EU und der Nato machen. Zurzeit ist er gezwungen, aus der zweiten Reihe zu wirken. Denn er ist französischer Staatsbürger ohne gültigen georgischen Pass. Der wurde ihm im vergangenen Herbst aberkannt, weil er neben der georgischen und französischen auch noch die russische Staatsbürgerschaft besaß.

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4 Kommentare

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  • W
    WSchüle

    Wer Georgien als gescheiterten Staat ansieht, sollte ihn sich mal aus der Nähe ansehen. Georgien hat ernsthafte Defizite, aber ein gescheiterter Staat wie vor der Rosenrevolution 2003 ist das Land definitiv nicht mehr. Was den Südossetien-Konflikt angeht, sollte man folgendes Beachten:

     

    1. Ob der Angriff auf den Landkreis Zchinwali ("Südossetien) völkerrechtswidrig war, ist jetzt Ansichtssache. Südossetien wird von nur wenigen Ländern überhaupt als Staat anerkannt.

     

    2. Die Legende, dass beim georgischen Vormarsch nach Zchinwali tausende Osseten getötet worden wären, ist mitlerweile durch die OSZE widerlegt worden. Tatsache ist aber, dass Russland unmittelbar nach dem Konflikt dem Roten Kreuz und anderen internationalen Organisationen den Zugang zum Konfliktgebiet verweigert hat. Fakt sind ebenso 20.000 Binnenflüchtlinge als Folge einer ethnischen Säuberung durch das Seperatisten-Regime.

     

    3. Wenn auf Volksabstimmungen in Süd-Ossetien (1992 und 2006) verwiesen wird, dann sollte man bedenken, wie glaubwürdig eine über 90%-ige Mehrheit für die Unabhängigkeit eigentlich sein kann, wenn nach dem August-Krieg 20.000 der einst 70.000 Einwohner von den Seperatisten vertrieben wurden. Der gesunde Menschenverstand sagt schon, dass da was nicht stimmen kann.

     

    4. Ein Vergleich bürgerlicher Freiheiten im georgischen Reststaat mit dem Seperatisten-Gebiet Zchinwali spricht eindeutige Bände. Der "Freedom in the World"-Report der NGO "Freedom House" veranschlagt Georgien als "teilweise freien" Staat auf einer demokratischen Augenhöhe mit Ost-Timor und Bosnien-Herzegowina, was auch meinen persönlichen Erfahrungen entspricht. Das Seperatisten-Gebiet "Südossetien" dagegen ist laut dem Bericht nur unwesentlich freier als Nordkorea und steht beim Freiheitsindex auf Augenhöhe mit Syrien, Weißrussland und der VR China. So viel zum Thema "es gab ja Volksabstimmungen".

     

    Zum Thema Saakaschwili sollte gesagt werden, dass seine Regierung nicht der Demokratisierung letzter Schluss sein kann. Aber Georgien hat derzeit eine in jeglicher Hinsicht bessere Bilanz vorzuweisen als vor der Rosenrevolution 2003. Sowohl in Hinblick auf die Korruptionsbekämpfung, wie auch bei Bürgerrechten und in wirtschaftlicher Hinsicht. Und ganz ehrlich, ich weiß nicht ob es gut für das Land wäre, wenn mit Iwanischwili einer der reichsten Männer der Erde und der faktische Inhaber des größten privaten Fernsehsenders die Wahl tatsächlich gewinnen würde. Das könnte durchaus auf einen georgischen Berlusconi hinauslaufen.

  • B
    Benz

    Die ehemalige georgische Sowjetrepublik ist ein gescheiterter Staat. Der agressive Nationalismus, den Saakaschwili als Lösung aller Probleme propagiert, hat dem Land nichts als Niederlagen eingebracht.

  • G
    GWalter

    Konflikt im Kaukasus

     

    Es ist enttäuschend zu immer wieder von der Schuld von Russland zu hören. Es wird fast immer ausgeblendet, dass Sakaschwilli diesen Krieg angefangen hat und Südossetien völkerrechtswidrig angegriffen hat. Dort wurden zuerst von Sakaschwilli die Menschen brutal getötet und das finden die USA auch noch gut.

    Südossetien hat bereits zwei Mal abgestimmt und sich gegen einen Anschluss an Georgien ausgesprochen, dies scheint aber der Westen nicht zu akzeptieren!!

     

    Herr Bush steckt sicher hinter diesem Angriff von Sakaschwilli, denn beide sind ja gute Freunde, was für mich schon nichts Gutes bedeutet. Ein Freund von Bush zu sein bedeutet für mich einen Freundschaft mit einen Terroristen und Kriegsverbrecher zu haben und dies sollte auch Europa endlich einmal ablehnen.

    Europa kommt mich schon vor wie einen Prostituierte, die immer und ständig bereit ist für die USA, bereit ist jede Selbstachtung aufzugeben.

    Wenn Herr Bush irgendwo auf der Welt einen Krieg beginnt (er hat ja schon genug begonnen) so ist die immer eine gute Sache im Sinne von Recht und Demokratie!!??

  • HK
    Hans-Jürgen Kapust

    Bei uns heißt das Spiel, "Schwarz-Gelb" ablösen, funktioniert ohne Großdemo, klappt aber genau so gut. Das Volk glaubt zumindest dabei, dass sich was ändern könnte.