Antarktis-Kreuzfahrten: Eisberg voraus!
Erneut ist ein Kreuzfahrtschiff in der Antarktis mit einem Eisberg kollidiert. Kritker sagen: Nur eine Frage der Zeit, bis eine Katastrophe passiert.
STOCKHOLM taz. Einen Monat nach dem Untergang des Kreuzfahrtschiffes "Explorer" ist nun in der Antarktis ein weiteres Kreuzfahrtschiff knapp einer Katastrophe entgangen. Am Freitagabend Ortszeit trieb die norwegische "Fram" nach einem Maschinenausfall eine halbe Stunde manövrierunfähig in den Eisfeldern, bis sie mit einem Eisberg kollidierte. Nach Aussage der Reederei soll das Schiff keine grösseren Schäden erlitten haben. Allerdings wurde ein Rettungsboot zerstört, weshalb die Kreuzfahrt abgebrochen wurde und die "Fram" die Rückfahrt in den argentinischen Hafen Ushuaia antrat. Eine für den 2. Januar geplante weitere Kreuzfahrt der "Fram" wurde abgesagt.
Dass die nach der Kollision bereits zu einer möglichen Evakuierung auf dem Deck versammelten 247 Passagiere und 71 Besatzungsmitglieder diesmal mit dem Schrecken davonkamen, dürften sie dem Umstand verdanken, dass die "Fram" wesentlich grösser und moderner ist, als es die Ende November gesunkene 38 Jahre alte "Explorer" war. Die "Fram" war erst im April auf einer italienischen Werft vom Stapel gelaufen und hat einen für arktische Gewässer verstärkten Rumpf. Normalerweise verkehrt sie längs der norwegischen Küste als "Hurtigruten"-Schiff, wird aber im antarktischen Sommer im einträglichen Südpol- Tourismus-Verkehr eingesetzt. Norwegische Medien wunderten sich am Wochenende allerdings, warum bei einem nur wenige Monate alten und speziell für Polarfahrten konstruierten Schiff der Ausfall einer Maschine zu einem vollständigen "Blackout" und zu Manövrierunfähigkeit führen konnte.
Nur eine Frage der Zeit sei es, bis ein "richtig ernstes Unglück" passiert, kommentiert Knut Espen Solberg, ein norwegischer Schiffsbauingenieur mit eigener langjähriger Polar-Erfahrung die Vorgänge der letzten Zeit. Es ist bereits der vierte ernste Unfall in der Antarktis in diesem Jahr. Im Februar hatte der nach einem Brand manövrierunfähig gewordene japanische Walfänger "Nisshin Maru" die Antarktis-Umwelt bedroht. Im Januar war es die "Nordkapp", ein anderes norwegisches "Hurtigruten"-Schiff gewesen, welche auf Grund gelaufen war. Das Schiff wurde damals beschädigt, konnte aber gerettet werden. Doch liefen hunderte Liter Diesel ins Meer, die angeblich zum grössten Teil aufgesammelt werden konnten. Während die "Explorer" bereits kurz nach ihrem Untergang einen 1,5 km langen Ölteppich hinterliess und von dem restlichen Treibstoff, der sich noch in 1400 m Tiefe in den Tanks befindet, irgendwann der empfindlichen Antarktisumwelt eine weitere Ölverschmutzung droht.
Der schon länger kritisierte und stetig wachsende "Öko"- und "Abenteuer"-Tourismus in der Antarktis, dürfte nun erneut in die Diskussion kommen. Binnen 10 Jahren hat er sich auf 35.000 TouristInnen verfünffacht. Rund 50 Kreuzfahrtschiffe sind jetzt jährlich zwischen November und Februar dort unterwegs. Zwar gehört dieser Tourismus zu den weltweit am strengsten regulierten. So benötigen alle Reiseveranstalter spezielle Zertifikate, nur bestimmte Gebiete sind zugelassen und es darf nur jeweils eine begrenzte Anzahl von TouristInnen gleichzeitig an Land. Doch gegen Unglücke gibt es keine Gewähr.
"Wir, die wir Arktis und Antarktis kennen, halten diese Kreuzfahrten für ein grosses Risiko", sagt Solberg: "Die Konsequenzen werden gewaltig sein, wenn mal wirklich etwas schief geht." Die Kapazität der Rettungsdienste im Süden Chiles und Argentiniens sei nicht auf grössere Unfälle ausgelegt. Es gebe dort keine Ressourcen etwa ein Schiff mit über einhundert Insassen durch Hubschrauber evakuieren zu können. Birgit Njåstad vom norwegischen "Polarinstitut" stimmt zu: "Pures Glück, dass das bislang gut ging."
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