piwik no script img

Ansturm bei Ökostrom-AnbieternÖkostrom surft Wechselwelle

Anbieter sauberen Stroms erhalten massiv Zulauf. Alternativangebote inzwischen etabliert und leicht vergleichbar. Diskussionsbedarf bei Kunden.

Umschalten auf Grün: die Lichtblick-Zentrale in Hamburg-Altona. Bild: dpa

HAMBURG taz | Vielen Stromkunden reicht es: Die jüngsten Katastrophenbilder der überhitzten und offen liegenden Atomreaktoren im japanischen Fukushima sorgen auch in Deutschland für Verunsicherung - Verbraucher wechseln deshalb vermehrt zu Ökostromanbietern. "Es herrscht ein wachsendes Interesse an entsprechenden Produkten", sagt Carsten Roth, Sprecher des kommunalen Unternehmens Hamburg Energie. "Wir haben deutlich mehr Vertragsabschlüsse."

Die Hamburger Firma Lichtblick - mit über einer halben Million Kunden größter Ökostromanbieter Deutschlands - berichtet von einem Kundenansturm: Mit knapp 900 Neuverträgen pro Tag habe sich die Zahl seit Beginn des Atomunglücks verdreifacht, Tendenz steigend. Die Interessenten seien "oft Menschen, die schon vorher mit dem Gedanken gespielt haben, regenerativen Strom zu beziehen", sagt Pressesprecherin Katinka Königstein.

Bei der Energiegenossenschaft Greenpeace Energy übertrifft die Zahl der Anmeldungen via Internet das normale Niveau um das Zehnfache. Per Fax und Telefon wurden doppelt so viele Neukunden gewonnen wie vor der Katastrophe. "Vorletzten Sonntag begann der Ansturm im Internet", sagt Martin Schaefer, Pressesprecher bei Greenpeace Energy. "In dem Ausmaß gab es das noch nicht."

Das Interesse steige immer, wenn ein Thema viel Raum in der Öffentlichkeit einnehme, sagt Nina Koch vom Verbraucherportal Toptarif. Solche Phasen habe es öfter gegeben, etwa nach der Pannenserie am Atommeiler Krümmel 2009.

Im vergangenen Jahr sei es die Debatte um die Laufzeitverlängerung der AKWs gewesen. Diesmal spüre man aber, dass ein anderes Wechselklima herrsche. Lichtblick-Sprecherin Königstein bestätigt das: "Auch Kunden, die sonst eher als passiv und kaum wechselwillig galten, rufen im Kundencenter an und diskutieren mit unseren Mitarbeitern."

Dass die Ereignisse in Japan sich so stark auswirkten, liege sicher auch daran, dass sich die Ökostromanbieter inzwischen am Markt etabliert hätten, sagt Greenpeace-Sprecher Schaefer. Es sei ein Kinderspiel, Angebote im Internet einzuholen und den Anbieter zu wechseln.

Auch die kommunalen Stadtwerke Kiel profitieren mit ihrem Angebot "Naturstrom" von der Wechselwelle, wie deren Sprecher Wolfgang Podolske sagt. Dank der Liberalisierung des Strommarktes hätten die Kunden Handlungsoptionen - anders als vor 25 Jahren bei der Katastrophe von Tschernobyl.

Vattenfall-Sprecher Stefan Kleimeier mag nicht bestätigen, dass den etablierten Stromversorgern im Norden Kunden weglaufen. "So ein Kundenwechselprozess dauert ja bis zu sechs Wochen", sagt er, "da kann man jetzt überhaupt keine Tendenz ausmachen, ob Kunden wirklich wegen Japan nun gezielt Ökostrom bevorzugen." Daten, die erkennen ließen, warum ein Verbraucher wechselt, würden nicht erhoben.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!