Anschlag überschattet Staatsbesuch: Syrien und Libanon nähern sich an
Beim ersten Besuch eines libanesischen Präsidenten in Syrien seit drei Jahren geht es um die politische Anerkennung des Libanons. Pünktlich zum Besuch: 18 Tote bei Bombenanschlag.
Der Libanon und Syrien stehen zum ersten Mal seit der Unabhängigkeit beider Länder 1941 vor der Aufnahme diplomatischer Beziehungen. Mit diesem Schritt erkennt das Regime in Damaskus zugleich die Souveränität des Nachbarlandes an. Libanons Präsident Michel Suleiman reiste am Mittwoch zu einem als "historisch" bezeichneten Besuch in die syrische Hauptstadt, um dort seinen Amtskollegen Baschar al-Assad zu treffen.
Es wurde erwartet, dass in einer Abschlusserklärung ein Botschafteraustausch bekannt gegeben wird. Ein solcher Schritt war bereits bei der Gründung der Mittelmeerunion Mitte Juli in Paris angekündigt worden. Vorausgegangen war die Einigung auf eine Regierung der nationalen Einheit in Beirut zwischen der prowestlichen und der von der radikalen schiitischen Hisbollah geführten prosyrischen Fraktion. Am Dienstag dieser Woche hatte das Parlament der Regierung sein Vertrauen ausgesprochen.
Der Besuch Suleimans in Damaskus ist zugleich der erste eines libanesischen Präsidenten seit 2005, als Syrien in der Folge der Ermordung des ehemaligen Ministerpräsidenten Rafiq Hariri seine Truppen aus dem Libanon abzog. Zuvor hatte Syrien den Status einer "Schutzmacht" über den Libanon beansprucht und sich über verbündete Organisation in die fragile Innenpolitik des Landes eingemischt.
Für Syrien ist die Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit dem Libanon nach dem Auftritt al-Assads in Paris ein weiterer Schritt aus der internationalen Isolation. Die USA werfen dem Land aber nach wie vor die Unterstützung radikaler Milizen, des Terrorismus und die guten Beziehungen zum Iran vor.
Angesichts der Vorgeschichte beider Länder verwundert es nicht, dass es neben dem Botschafteraustausch auch eine ganze Reihe strittiger Fragen gibt, die bei dem Gipfeltreffen angesprochen werden sollten. Diese reichen vom Grenzverlauf beziehungsweise der Sicherung der Grenze gegen Waffenschmuggel über Libanesen in syrischen Gefängnissen, die Präsenz radikaler Palästinensergruppen im Libanon bis hin zu dem umstrittenen Geländer der Shebaa-Farmen. Außerdem sollen frühere Verträge zwischen beiden Staaten einer Überprüfung unterzogen werden, vor allem das Freundschafts- und Kooperationsabkommen aus dem Jahr 1991, das das prowestliche Lager für null und nichtig erklären möchte.
Kurz vor dem Besuch Suleimans in Damaskus starben bei einem Anschlag in der nordlibanesischen Stadt Tripoli mindestens 18 Menschen, als ein Sprengsatz im morgendlichen Berufsverkehr gezündet wurde. 40 Menschen wurden verletzt. In Tripoli wurden in den vergangenen Monaten bei Auseinandersetzungen zwischen Sunniten, die das prowestliche Lager unterstützen, und Alawiten, die eher der Hisbollah nahestehen, etwa zwanzig Personen getötet. Gestern wurde in Beirut spekuliert, dass der jüngste Anschlag darauf abzielte, eine Normalisierung zwischen dem Libanon und Syrien zu torpedieren.
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