Anschlag in Afghanistan: Die Trümmer nach der Wahl
16 Tote nach Anschlag auf Isaf-Truppen in Kabul. Präsident Karsai räumt erstmals Unregelmäßigkeiten bei der Wahl ein. Die Untersuchung der Wahllokale dauert an.
BERLIN taz | Bei einem Selbstmordanschlag sind in der afghanischen Hauptstadt Kabul am Donnerstag mindestens 16 Personen getötet und 50 verletzt worden. Ein Selbstmordattentäter hatte sich im Osten der Stadt auf der Straße zum Flughafen mit seinem Fahrzeug in die Luft gesprengt, als ein Konvoi italienischer Soldaten der internationalen Isaf-Truppe vorbeifuhren.
Unter den Toten sind sechs italienische Soldaten und zehn afghanische Zivilisten. Es ist der größte italienische Verlust seit Beginn des Afghanistaneinsatzes. Insgesamt starben 21 italienische Soldaten am Hindukusch. Agenturberichten zufolge bekannten sich die Taliban zu dem Anschlag, dem vierten großen in Kabul in den letzten fünf Wochen.
Derweil geht offenbar auch die Nato davon aus, dass bei dem von der Bundeswehr angeordneten US-Luftangriff auf zwei gekaperte Tanklastwagen in Kundus vor zwei Wochen rund 30 Zivilisten getötet wurden. Des Weiteren seien 70 Taliban getötet worden. Dies meldeten gestern sowohl das Wall Street Journal wie Bild.de unter Berufung auf US-Militärkreise. Zu einem ähnlichen Ergebnis war eine offizielle afghanische Untersuchung gekommen. Das Bundesverteidigungsministerium wollte die Berichte nicht kommentieren.
Der afghanische Präsident Hamid Karsai räumte gestern in Kabul erstmals Unregelmäßigkeiten bei der Wahl ein, wies aber die von der EU-Mission und einigen Medien erhobenen schweren Manipulationsvorwürfe als Einmischung und falsch zurück. Es habe sowohl in seinem Lager wie dem seines Herausforderers Abdullah Abdullah sehr parteiische Beamte gegeben. Der Umfang des Betrug sei aber klein. Er glaube an die Integrität des Wahlprozesses wie an die der beiden Kommissionen, die damit beschäftigt seien.
Am Mittwoch hatte die EU-Beobachtermission erklärt, bis zu 1,5 Millionen Stimmen sei "verdächtig". Davon entfielen 1,2 Millionen auf Karsai. Sollte ihm diese aberkannt werden, würde er unter die 50-Prozent-Marke rutschen und ein zweiter Wahlgang nötig werden. Karsai hatte noch am Mittwoch die EU-Erklärung als "unverantwortlich" bezeichnen lassen.
Es ist unklar, wie lange die bereits angeordnete Untersuchung von knapp 10 Prozent der Wahllokale dauern wird. In Diplomatenkreisen werden jetzt die Optionen diskutiert. Würde Karsais Sieg anerkannt, untergrabe dies seine Legitimation und die des internationalen Einsatzes. Ein zweiter Wahlgang könnte sich lange hinauszögern, für ein gefährliches Vakuum sorgen und birgt hohe Kosten und Risiken. Die dritte Option wäre Abbruch der Wahl und Einsetzung einer in der Verfassung nicht vorgesehen Regierung der nationalen Einheit. Dies wär das Eingeständnis des Scheitern des politischen Prozesses nach 2001.
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