Anschlag auf Göttinger Gericht: Angriff auf die Abschiebepraxis?
Unbekannte haben einen Brandanschlag auf ein Göttinger Gerichtsgebäude verübt, in dem Abschiebungen absegnet werden. Die Polizei vermutet militante Linke als Täter.
GÖTTINGEN taz | Auf ein Göttinger Gerichtsgebäude haben Unbekannte am Freitagabend einen Brandanschlag verübt. Aufgrund von Parolen an der Fassade geht die Polizei von einer linkspolitisch motivierten Tat aus. In großen Lettern steht dort: "Nazis morden, der Staat schiebt ab!", und das Kürzel "RAZ" - was auch für die linksmilitante Gruppe "Revolutionäre Aktionszellen" steht, die bisher vor allem in Berlin in Erscheinung trat. Ein Bekennerschreiben gibt es bislang nicht.
Vor dem Gebäude, in dem sich Land-, Amts- und Arbeitsgericht befinden, hatten Zeugen kurz vor Mitternacht einen explosionsartigen Knall gehört und meterhohe Flammen lodern sehen. Mit mehreren zu einem Bündel geschnürten Butangasflaschen wurde das Feuer ausgelöst - ähnlich wie bei anderen Anschlägen der RAZ. Die Gasflaschen seien aber nicht explodiert, sagte Polizeisprecherin Jasmin Kaatz. "Dann wäre der Schaden noch viel größer gewesen." Die Feuerwehr löschte den Brand, es entstand Sachschaden an der Fensterfront des Gerichtsgebäudes.
In Gerichtssälen wurden immer wieder Abschiebungen abgesegnet, weswegen sie nun womöglich zum Anschlagsziel wurden. Erst im November sorgte ein Fall im Landkreis Göttingen für Aufsehen, der im Amtsgericht Hann. Münden verhandelt wurde. Dabei wurde offenbar, dass Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) persönlich in ein Verfahren eingegriffen und wahrheitswidrig behauptet hatte, die algerische Familie wehre sich gegen eine Identitätsfeststellung.
Der Minister hatte darüber hinaus die Ausländerbehörde des Landkreises aufgefordert, restriktivere Maßnahmen gegen die als gut integriert geltende Familie anzuwenden. Sogar der Koalitionspartner FDP übte Kritik an Schünemann. "Das Ministerium muss sich bei Vorgängen, in denen es um Abschiebungen geht, neutral verhalten", sagte deren Innenpolitiker Jan-Christoph Oetjen. Die Opposition aus SPD, Grünen und Linkspartei forderte unlängst den Rücktritt des Ministers.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Haftbefehl gegen Benjamin Netanjahu
Er wird nicht mehr kommen
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung