Anschlag auf Berliner Mahnmal: "Akt von Homophobie"
Nach dem Anschlag auf das Mahnmal für verfolgte Homosexuelle ermittelt der Staatsschutz. Der Lesben- und Schwulenverband ruft zu einer Kundgebung auf.
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BERLIN ddp/taz Nach dem Anschlag auf das Mahnmal für die während des Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen in Berlin-Tiergarten hat der Staatsschutz die Ermittlungen übernommen. Ein politischer Hintergrund der Tat werde nicht ausgeschlossen, sagte ein Polizeisprecher am Montag. Zum Stand der Ermittlungen aber machte er keine Angaben. Für den Abend hatte der Lesben- und Schwulenverband (LSVD) zu einer Kundgebung aus Protest gegen den Anschlag aufgerufen.
Das erst im Mai eingeweihte Mahnmal war am Wochenende von Unbekannten schwer beschädigt worden. Von außen nimmt das Mahnmal für verfolgte Homosexuelle die Form des auf der anderen Seite der Straße stehenden Holocaust-Mahnmals auf. Es ist ein einzelner, windschiefer Betonquader, in den man hineinsehen kann. Drinnen läuft ein Video in Endlosschleife, das ein sich küssendes homosexuelles Paar zeigt. Das Sichtfenster wurde nun unter anderem zertrümmert.
Eine solche Tat sei Ausdruck von großer Intoleranz und Menschenverachtung, sagte Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU). Über die strafrechtliche Verfolgung und verbesserte Sicherheitsmaßnahmen hinaus sei die Gesellschaft aufgerufen, sich "für mehr Toleranz und Respekt vor der Würde des Anderen" zu engagieren. Die Beseitigung der Schäden wird nach Angaben Neumanns "schnellstmöglich" erfolgen.
Von einem "Akt von Intoleranz und Homophobie" sprach der Regierende Bürgermeister Berlins, Klaus Wowereit (SPD). Dass der Anschlag eindeutig gegen Homosexuelle gerichtet sei, lasse sich jetzt schon sagen. Auch Vertreter der anderen Parteien verurteilten den Anschlag. Die Schändung des Mahnmals zeige, dass die Homophobie in der Gesellschaft stärker bekämpft werden müsse, sagte die Sprecherin für gleichgeschlechtliche Lebensweisen der Fraktion der Linken im Bundestag, Barbara Höll. Der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen, Volker Beck, forderte alle Parteien zur Verurteilung homophober Gewalt auf. Die Verurteilung von Gewalt gegen Homosexuelle müsse genauso selbstverständlich sein wie die Verurteilung rassistischer oder antisemitischer Gewaltakte, sagte Beck.
Die authentischesten Worte indes fand der 95-jährige Rudolf Brazda. Nach heutigem Erkenntnisstand ist er der letzte noch lebende Zeitzeuge, der aufgrund seiner Homosexualität jahrelang in NS-Konzentrationslagern war. "Dieser Anschlag ist schrecklich. So etwas heute, nach all dem Leid und Grauen, das wir erleben mussten", sagte er. "Die Menschen lernen offenbar nicht dazu. Weil sie es nicht akzeptieren wollen, dass es Menschen gibt, die von Natur aus anders sind als sie."
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