Anna Klöpper Der Wochenendkrimi: Eine Unterdruckkammer und jede Menge Grusel im buchstäblichen Nordic Noir
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So richtig hell wird es nicht in diesem Schweden-Krimi. Die Bösewichte, und auch die Aufrechten, agieren hier meistens in nächtlicher Dunkelheit, selbst der Lidschatten von Kommissarin Mette Olsäter (Cecilia Nilsson) schimmert vampirig. Folgerichtig ist auch die Laune aller Beteiligten in dieser zweiten Staffel von „Springflut“, die erstmals im deutschen Fernsehen ausgestrahlt wird, weit entfernt von heiter bis wolkig.
„Verdammte Scheiße“, flucht der obdachlose, aber immerhin noch über ein Auto und nützliche Freundschaften verfügende Ex-Kommissar Tom Stilton (Kjell Bergqvist) mit grimmiger Inbrunst. Wirklich dunkel sind aber auch die Motive, welche einen unglaublich unsympathisch daher spazierenden Anteilseigner eines Pflegeheimimperiums dazu veranlassen, einen Laptop mit einem ominösen Schmettleringsaufkleber in den gruseligen Katakomben seines Anwesens zu verbergen. In einer Art Kammer aus Glaswänden liegt da der Schmetterling eingesperrt – eine Vakuumkammer aus der man die Luft vollständig entfernen kann.
Das gleitet mitunter ins Horrorhafte ab und erinnert an die Berlin-Staffel von „Homeland“, in der Peter Quinn, ebenfalls hinter Glaswänden, mit einem Gasexperiment gefoltert wird: Denn die junge, aufstrebende Kommissarsanwärterin Oliva Rönning (Julia Ragnarsson) krümmt sich wenig später um Luft ringend in dieser Gruselkammer – der Pflegeheim-Imperialist erwischt Olivia, wie sie entscheidende Dokumente über dubiose Medikamentengeschäfte auf dem Computerbildschirm mit ihrem Smartphone abfotografiert, und lässt flugs die Luft aus der Kammer.
Dass er kurz darauf selbst erschossen in seinem Wohnzimmer liegt, ruft einen anderen Unsympath auf den Plan: Kommissar Rune Forss (Kjell Wilhelmsen) verhaftet Stilton, mit dem ihm offensichtlich eine belastete Vergangenheit verbindet. Dass Stilton wiederum nur deshalb in dem Haus war, weil er Olivia retten wollte, passt Forss natürlich nicht in den Kram.
Ein bisschen behäbig entwickelt sich der Fall, und für das gemache Tempo und die fehlenden falschen Fährten weiß die Zuschauerin bald ein wenig zu viel.
Aber gut, wir befinden uns hier mitten in einer zweiten Staffel, und da sind einem die Charaktere ja mitunter schon wichtiger geworden als das Kriminalistische. Und bei der Frage, ob der obdachlose Kommissar sich bald mal an dem Fiesling im Polizeirevier rächen kann, da drückt man doch sehr die Daumen und bleibt gerne dran.
„Springflut: Mord auf Värmdö“, So., 22.30 Uhr, ZDF
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