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Anna FastabendMidlife MonologeGardine oder Nichtgardine, das ist hier die Frage

Foto: Fo­to: ­Karolina El Lobo

Wenn ich A. besuche, kauft er immer groß ein. Es gibt Kefir, frisch gepresste Säfte – und die Wohnung ist blitzeblank. A. möchte mir damit eine Freude machen, aber er hat auch Bammel, weil ich einmal sauer geworden bin. Seitdem denkt er, ich hätte ein gesteigertes Sauberkeitsbedürfnis, dabei sind es nicht irgendwelche Staubflusen, die mich stören, sondern die nackte Glühbirne unter der Decke, und dass es nur ein provisorisches Tuch gibt, mit dem er das Zimmer abdunkelt, wenn wir schlafen gehen.

A. wohnt so, als wäre er gerade erst eingezogen, dabei lebt er in seiner Wohnung schon jahrelang. Und angeblich sah sie auch mal anders aus: Mit Ikeaeinrichtung und Raufasertapete. Doch eines Tages hätte er einen Rappel gekriegt: Also Fenster auf, Möbel raus, Krawumm. Und seitdem ist A. fertig mit der schwedischen Möbelhauskette und ihren Scheißmöbeln, für die alle paar Sekunden ein Baum stirbt.

Dass er so konsequent ist, finde ich an sich ja gut. Aber gleichzeitig hätte ich es gerne etwas wohnlicher. Und so bringe ich ihn dazu, die Sache endlich anzugehen. Doch anstatt einmal schnell reinzusausen, sich einen Hotdog zwischen die Kiemen zu hauen und danach wieder in den Weltverbesserungsmodus überzugehen, so wie ich es handhabe, verfolgt A. einen anderen Plan, der bei Manufactum beginnt und mit Grüner Erde seinen Lauf nimmt. Bereits ziemlich ermattet betreten wir das erste Haus am Platz für Tuchwaren. Das Problem ist nur: Die Verkäuferin sieht uns schon an der Nasenspitze an, dass wir uns ihre edlen Stoffe nicht leisten können. Ein spöttisches Lächeln huscht über ihr Gesicht, aber sie hat sich sofort wieder im Griff.

„Soll es etwas Transparentes sein oder ein Stoff, der das Zimmer abdunkelt?“, fragt sie mit der Gelassenheit einer Veteranin aus dem Pärchenkrieg. „Letzteres“, sagt mein Freund – er fände Blau ja ganz schön. „Blau?“, frage ich ungläubig und breche ab. Es ist seine Wohnung. Und alleine, dass wir hier zusammen stehen und über seine Gardinen diskutieren, ist eine Red Flag.

Doch mein Freund will, dass ich mich wohlfühle, und deshalb durchforstet er nun die Stoffproben mit den Erdtönen, die aus meiner Perspektive viel besser zu seinen Pflanzen passen würden. Nur: „Ist das eine Naturfaser?“, fragt er jetzt, und ich renne Augen rollend zu den Jacquardstoffen, wo der Meter mehrere Hundert Euro kostet. Vielleicht sollte ich mir doch lieber einen reichen Privatier angeln, der hätte wenigstens eine Interior Designerin.

Als Letztes steht dann tatsächlich Ikea auf unserer Liste, und ich kann nicht leugnen, dass mich eine gewisse Genugtuung erfüllt, als wir vor den Billiggardinen stehen. Hier eine für 19,99 Euro, dort eine für 12 Euro. „Siehst du?“, rufe ich so triumphierend, als ob ich Provision dafür bekäme, da bemerke ich, wie es ihn quält. Ich murmele etwas von Kompromiss und es gibt kein richtiges Leben im falschen, aber eigentlich liebe ich ihn ja, wie er ist.

Soll sie transparent sein oder abdunkeln?, erkundigt sich die Veteranin aus dem Pärchenkrieg

Gardinen hat er übrigens immer noch keine, dafür drei Vintage-Designerlampen, mit denen er aus seinem Zimmer ein, ja was eigentlich – Lampengeschäft machen will?! Zu meinem Geburtstag hat er mir dann eine Partnerdecke für meine Wohnung geschenkt. Sie ist knallblau und von: Ikea. Fand ich ja ein bisschen übergriffig …

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